Seit Jahren lebte Michail Gorbatschow (†91) zurückgezogen. Am Dienstag die Meldung: Der ehemalige Spitzenpolitiker und letzte Anführer der Sowjetunion ist tot. Zuletzt musste er mit ansehen, wie Russland einen Krieg gegen die Ukraine führt.
«Ich spreche oft mit Michail. Er verurteilt den Krieg Russlands gegen die Ukraine von Beginn weg aufs Schärfste», sagt der ungarische Fernsehproduzent Janos Zolcer, einer der engsten Freunde Gorbatschows, zu «Blikk».
«Er hält das Ganze für einen Krieg unter Brüdern. Sein Vater war Russe und seine Mutter Ukrainerin. Neben ihm gibt es noch Tausende andere Menschen mit einer ähnlichen Familienkonstellation. Wenn es nach ihm ginge, würde der Krieg sofort aufhören», sagt Zolcer.
Trauer bei Gorbatschow
Im Laufe der vergangenen Jahre habe Gorbatschow immer wieder versucht, den aktuellen Präsidenten Wladimir Putin (69) telefonisch zu erreichen. «Doch dieser hat ihn nie zurückgerufen. Er hat nicht einmal das Telefon abgenommen. Ein Mal pro Jahr haben sie sich getroffen, sonst bestand kein Kontakt.»
Gorbatschow sei traurig, dass sich Russland für den Krieg entschieden habe, sagt Zolcer. «Er selbst hat sieben Jahre lang daran gearbeitet, den Kalten Krieg zu beenden und ein gemeinsames Verhältnis aufzubauen. Doch mit den aktuellen Kämpfen wird das alles zerstört.»
Monate im Spital, im August verstorben
Doch in seiner Heimat wird Gorbatschow von vielen geächtet. Viele Russen geben ihm die Schuld am Zerfall der Sowjetunion vor 30 Jahren. «In der russischen Propaganda wird Michail immer wieder als Zerstörer der Sowjetunion dargestellt. Nun sei es an Putin, diese wieder aufzubauen. Wenn die Sowjetunion wieder hergestellt sei, würde sich niemand mehr mit der Grossmacht anlegen», erzählt Zolcer.
Dass er als Feindbild dargestellt werde, sei für Gorbatschow nicht immer einfach. Mittlerweile habe er sich aber damit abgefunden und lebte bis zu seinem Tod zurückgezogen. In der letzten Zeit vor seinem Ableben habe er immer wieder betont, dass er es kaum erwarten könne, seine vor über 20 Jahren verstorbene Ehefrau Raissa (1932–1999) wiederzusehen. (BLH/zis)