Die EU-Staats- und Regierungschefs haben ihren letzten Gipfel in diesem Jahr begonnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warb zum Auftakt des zweitägigen Treffen am Donnerstag in Brüssel für einen von ihr mit ausgearbeiteten Kompromiss, um die Blockade des EU-Haushalts und des Corona-Hilfsfonds durch Polen und Ungarn zu beseitigen. Keine Einigkeit unter den Mitgliedstaaten gibt es bisher auch zur Verschärfung des Klimaziels für das Jahr 2030.
EU-Haushaltsstreit bleibt Zentralthema
EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem «schwierigen» Gipfeltreffen. «Ich hoffe, am Ende sind wir ein Stück weiter für Europa», sagte Merkel mit Blick auf die dicht gefüllte Tagesordnung des zweitägigen Treffens, das zunächst mit Beratungen zum weiteren Vorgehen in der Corona-Pandemie begann.
Zentrales Thema war aber der EU-Haushaltsstreit. Denn ohne Lösung droht der EU ab Januar ein Nothaushalt mit drastischen Kürzungen. Auch der 750 Milliarden Euro schwere Hilfsfonds gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise könnte nicht wie geplant starten. Ungarn und Polen hatten gegen das Finanzpaket ihr Veto eingelegt, weil es die Kürzung von EU-Geldern bei Verstössen gegen rechtsstaatliche Grundsätze vorsieht.
Weitere Zusicherungen
Das Ende der Haushaltsblockade wäre «ein sehr wichtiges Zeichen für die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union», sagte Merkel. Ein vom deutschen EU-Vorsitz mit Polen und Ungarn ausgehandelter Kompromiss sieht nun eine erläuternde Erklärung zu dem Rechtsstaatsmechanismus vor. Darin wird einerseits nochmals klargestellt, dass er nur dem Schutz des EU-Haushaltes und der finanziellen Interessen der Union dient.
Gleichzeitig wird Polen und Ungarn zugesichert, dass zunächst keine Kürzungen von EU-Geldern erfolgen, wenn sie Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Regelung einreichen. Dies könnte die Anwendung des Mechanismus bis ins Jahr 2022 verzögern.
Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte, die Annahme des Kompromisses sei «Vorbedingung» für ein Ende des Vetos. Er warnte andere Mitgliedstaaten, auch sie könnten eines Tages wegen der Rechtsstaatsfrage von Brüssel «angegriffen» und Ziel «willkürlicher und politisch motivierter Entscheidungen» werden.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban sah die EU «nur noch ein paar Zentimeter» von einer Einigung entfernt. Er kämpfe «für den Sieg des gesunden Menschenverstands», damit die geplanten Corona-Hilfen an die Länder fliessen könnten, die diese wirklich brauchten.
Einigung mit Polen und Ungarn in Sicht
Diplomaten zufolge hatten bei Vorstellung des Kompromissvorschlages am Mittwoch noch die Niederlande, Dänemark und Belgien gewisse Vorbehalte. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte sagte nun, er wolle «wirklich sicher sein», dass sich durch den Kompromiss an dem Rechtsstaatsmechanismus «im politischen und rechtlichen Sinne» nichts ändere.
«Wir sind nahe dran, aber noch nicht auf der Ziellinie», sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. Er glaube aber, dass dies «in den nächsten Stunden» gelingen könne.
Auch Klimaziel der EU für 2030 noch nicht gesichert
Merkel warb unterdessen auch für eine Einigung auf das Ziel, die CO2-Emissionen in der EU bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken. Dies sei nötig, um Europa wie vereinbart bis 2050 klimaneutral zu machen, sagte sie. Insbesondere osteuropäische Länder, die stark von der Kohle abhängig sind, haben hier aber noch Vorbehalte.
Weitere Themen des EU-Gipfels
Am Abend ging es auch um weitere mögliche Sanktionen gegen die Türkei im Konflikt um Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer. Hier stehe die Glaubwürdigkeit der EU «auf dem Spiel», sagte der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis. Die Staats- und Regierungschefs hätten bei ihrem Oktober-Gipfel vereinbart, dass ein weiteres «aggressives Verhalten» Ankaras «Konsequenzen» haben werde.
Ohne grosse Diskussion verlängert werden dürften die Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Sie waren 2014 wegen der Ukraine-Krise verhängt worden. Am Freitag befassen sich die Staats- und Regierungschefs dann unter anderem mit der Reform des Euro-Rettungsfonds ESM. (AFP)