US-Kampfjet startet Angriff auf Huthi-Rebellen
0:42
Nach Angriff auf Handelsschiff:US-Kampfjet startet Angriff auf Huthi-Rebellen

US-Luftwaffe flog Angriffe auf Huthi-Stellungen – Rebellen schwören Rache
EU plant Militäreinsatz im Roten Meer

Seit Wochen brodelt es im Roten Meer. Huthi-Rebellen greifen Handelsschiffe an. In der Nacht auf Freitag flogen US- und britische Kampfjets Angriffe gegen die Verbündeten der Hamas und des Iran. Offenbar kamen auch Oerlikon-Kanonen zum Einsatz.
Publiziert: 12.01.2024 um 02:02 Uhr
|
Aktualisiert: 12.01.2024 um 13:29 Uhr
1/17
Feuer in der Nähe von Saana: Die Angriffe auf Jemen haben Dutzende militärische Ziele getroffen.
Foto: IMAGO/Xinhua

Heftiger Schlagabtausch im Roten Meer, wo Handelsschiffe seit Wochen von jemenitischen Huthi – Verbündeten der Hamas und des Iran – angegriffen werden. Die USA haben in der Nacht auf Freitag gemeinsam mit Grossbritannien Luftangriffe auf Huthi-Stellungen im Jemen durchgeführt. Das bestätigt das Weisse Haus. Dies sei eine «direkte Reaktion auf die beispiellosen Angriffe der Huthi auf die internationale Schifffahrt im Roten Meer».

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (70) hat den Militärschlag der USA und Verbündeter gegen die Huthi-Rebellen im Jemen als ein klares Signal bezeichnet. «Der heutige Einsatz der Koalition ist eine klare Botschaft an die Huthi, dass sie einen Preis dafür zahlen werden, wenn sie ihre illegalen Angriffe nicht einstellen», hiess es am Donnerstag (Ortszeit) in einer Mitteilung aus dem Pentagon. «Wir werden nicht zögern, unsere Streitkräfte, die Weltwirtschaft und den freien Fluss des legitimen Handels auf einer der wichtigsten Wasserstrassen der Welt zu verteidigen», teilte Austin weiter mit. 

Die Nato stellte sich hinter die Luftangriffe. «Diese Angriffe waren defensiv und dienten dazu, die Freiheit der Schifffahrt auf einer der wichtigsten Wasserstrassen der Welt zu erhalten», erklärte Nato-Sprecher Dylan White am Freitag in Brüssel. Die Huthi-Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer müssten aufhören, forderte er. Nato-Sprecher White rief zudem den Iran zur Verantwortung, der die Huthi-Rebellen unterstützt. Teheran müsse «seine Stellvertreter zügeln», betonte er.

Bei der militärischen Operation kamen offenbar auch ehemals in der Schweiz entworfene Waffen zum Einsatz. Shashank Joshi, Militärredaktor des renommierten britischen Magazins «The Economist», will vom Einsatz von Oerlikon-Waffen auf dem britischen Kriegsschiff HMS Diamond wissen. Der Kreuzer habe gegen Huthi-Drohnen zunächst französisch-italienische Aster-Abwehrraketen eingesetzt, zitiert Joshi ungenannte Militärkreise auf X: «Einige der Drohnen kamen näher an das Schiff heran und zwangen die HMS Diamond, ihre 30-mm-Oerlikon-Kanonen einzusetzen», so der Militärexperte.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

«200 Schuss pro Minute»

Die ursprünglich vom Waffenproduzenten Oerlikon im Jahr 1973 entworfene Maschinengewehr-Autokanone wurde als Nahbereichs-Mehrzweckwaffe hergestellt. Seit 2009 gehört der damalige Schweizer Waffenbauer Oerlikon-Bührle dem deutschen Rüstungskonzern. Oerlikon-Waffen stehen noch immer im Einsatz, wie jetzt bei der britischen Marine im Roten Meer. Die von Joshi erwähnte Oerlikon DS30M kann «200 Schuss pro Minute bei einer maximalen Reichweite von vier Kilometern abfeuern».

Jemenitische Stadt Sanaa steht in Flammen
0:54
Nach US-Angriffen:Jemenitische Stadt Sanaa steht in Flammen

Offenbar war der Einsatz von Oerlikon-Kanonen erfolgversprechender als der Beschuss mit Raketen. Die Huthi-Drohnen schienen die erste Verteidigungslinie durchbrochen zu haben, es kam zum Einsatz der Abwehrkanonen aus ehemaliger Schweizer Produktion.

Huthi feuern zurück

Die US-Luftwaffe teilte mit, sie habe «über 60 Ziele an 16 Standorten angegriffen, darunter Kommando- und Kontrollposten, Munitionsdepots, Abschusssysteme, Produktionsanlagen und Luftverteidigungsradarsysteme». «Bei den Angriffen wurden über 100 präzisionsgelenkte Munition verschiedener Typen eingesetzt. Darunter Flugzeuge des US Naval Forces Central Command und Tomahawk-Landangriffsraketen, die von Oberflächen- und Untergrundplattformen abgefeuert wurden. Diese Attacken umfassten Luft- und Seeangriffe in der gesamten Region.»

Nach Angaben des den Huthi-Rebellen nahestehenden Fernsehsenders Al-Masirah zielten die Angriffe auf einen Luftwaffenstützpunkt, Flughäfen und ein Militärlager. Es bleibt unklar, wie viele Ziele die Luftschläge der westlichen Militärkoalition vernichten konnten.

Die Angriffe, bei denen nach Huthi-Angaben fünf Kämpfer starben und sechs weitere verletzt wurden, stiessen auch auf Gegenschläge. Wie der arabischsprachige Nachrichtensender Al Arabiya auf X meldete, «schiessen die Huthi ballistische Raketen auf amerikanische Militärziele im Roten Meer».

Rebellen schwören Rache

Inzwischen haben die Huthi-Rebellen Rache für den Militärschlag angekündigt. «Amerika und Grossbritannien werden bereit sein müssen, einen hohen Preis zu zahlen», sagte ein Vertreter laut Al-Massirah. Die Luftangriffe würden nicht ohne «Strafe oder Vergeltung» bleiben. 

Der Jemen sei «einem massiven aggressiven Angriff amerikanischer und britischer Schiffe, U-Boote und Kampfflugzeuge ausgesetzt gewesen», wurde er zitiert. Huthi-Sprecher Mohammed Abdulsalam postete auf X, die Gruppe werde weiterhin Schiffe, die in Richtung Israel unterwegs sind, angreifen. «Das Ziel waren und bleiben israelische Schiffe oder solche, die Häfen im besetzten Palästina ansteuern», so Abdulsalam. Es gebe keine Rechtfertigung für den amerikanisch-britischen Angriff.

Arabische Staaten besorgt um Sicherheit

Mehrere arabische Staaten haben sich nach dem Militärschlag der USA, Grossbritanniens und weiterer Verbündeter gegen Huthi-Stellungen im Jemen besorgt über sie Sicherheitslage in der Region gezeigt.

Jordaniens Aussenminister Aiman Safadi sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Petra am Freitag, sein Land verfolge mit Sorge die Entwicklungen im Roten Meer. Israel treibe die gesamte Region mit seiner «mutwilligen Aggression» in weitere Kriege und Konflikte.

Der Oman warnte «als Folge der anhaltenden israelischen Aggression gegen die besetzten palästinensischen Gebiete» zum wiederholten Mal vor einer Ausweitung des Krieges auf die Region, wie es in einer Erklärung des Aussenministeriums in Maskat vom Freitag hiess. Das Sultanat verurteile «den militärischen Akt» der Verbündeten, «während Israel seinen brutalen Krieg, ohne Verantwortung tragen zu müssen, weiterführt.»

Auch Saudi-Arabien äusserte sich besorgt. Das Königreich rief zur Deeskalation auf, wie die staatliche Nachrichtenagentur SPA berichtete. Es sei wichtig, die Sicherheit und Stabilität in der Region des Roten Meeres zu wahren. Dazu zähle auch eine freie Schifffahrt. Gleichzeitig rief das Königreich zu Zurückhaltung auf.

Russland ruft Uno-Sicherheitsrat an

Das iranische Aussenministerium verurteilte den Angriff auf die Huthi aufs Schärfste. «Wir halten es für einen klaren Verstoss gegen die Souveränität und territoriale Integrität Jemens sowie für einen Verstoss gegen internationale Gesetze, Vorschriften und Rechte», wird der Sprecher des Aussenministeriums, Nasser Kanaani (54), in einer Erklärung zitiert. 

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (69) warf Grossbritannien vor, das Rote Meer in ein «Meer aus Blut» verwandeln zu wollen. Die Angriffe bezeichnete Erdogan als unverhältnismässig. 

Auch die Hamas meldete sich zu Wort. Die Terrororganisation verkündete, dass sie die USA und Grossbritannien für alle weiteren «Auswirkungen auf die regionale Sicherheit» verantwortlich machen würde. Auch die mit der Hamas verbündete Hisbollah im Libanon kritisierte die Angriffe als «eklatante amerikanisch-britische Aggression». Sie bestätige einmal mehr, dass die USA ein vollwertiger Partner des «zionistischen Feindes» und dessen Angriffe gegen das palästinensische Volk seien. Gemeint ist Israel.

Russland beantragte am Freitagmorgen eine dringende Sitzung des Uno-Sicherheitsrats. Die Sitzung solle um 15 Uhr Ortszeit in New York (21 Uhr MEZ) beginnen, schrieb die russische Vertretung bei den Vereinten Nationen auf ihrem Telegram-Kanal. 

Militärschläge mit Ansage

Seit Ausbruch des Gaza-Krieges zwischen Israel und der islamistischen Hamas greifen die Huthi immer wieder Schiffe mit angeblich israelischer Verbindung im Roten Meer an. Grosse Reedereien meiden zunehmend die Route. Die Huthi greifen auch Israel immer wieder direkt mit Drohnen und Raketen an. Eine Reaktion der USA und ihrer Verbündeten hatte sich zuletzt immer stärker angedeutet.

Biden sagte, es habe bereits 27 Angriffe auf internationale Handelsschiffe gegeben, erstmals hätten die Huthi-Rebellen dabei auch eine ballistische Antischiffsrakete eingesetzt. Mehr als 2000 Schiffe seien gezwungen worden, einen Umweg von Tausenden von Kilometern zu nehmen.

EU plant eigenen Militäreinsatz im Roten Meer

Grossbritanniens Verteidigungsminister Grant Shapps (55) hatte in den vergangenen Tagen immer wieder vor Konsequenzen gewarnt, sollten die Angriffe nicht aufhören. Premierminister Rishi Sunak (43) hatte deshalb am Donnerstagabend Medienberichten zufolge sein Kabinett kurzfristig zu telefonischen Beratungen einberufen. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, warnte am Donnerstag, sollten die Huthi ihre Angriffe nicht stoppen, müssten sie die Konsequenzen dafür tragen.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters sollen die USA und Grossbritannien Italien gefragt haben, ob es an den Militärschlägen teilnehmen möchte. Italien lehnte mit der Begründung ab, es hätte die Zustimmung des Parlaments benötigt. Italien wolle im Roten Meer eine «beruhigende» Politik statt einer militärischen Konfrontation verfolgen, teilte eine Quelle der italienischen Regierung Reuters am Freitag mit.

Die Aussenminister der EU-Staaten wollen bei einem Treffen am 22. Januar über eine mögliche Beteiligung der EU an der US-Initiative zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Roten Meer beraten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat der Auswärtige Dienst der EU erste Vorschläge für den Start eines neuen gemeinsamen europäischen Militäreinsatzes erarbeitet. Sie sehen unter anderem die Entsendung von Kriegsschiffen und luftgestützten Frühwarnsystemen in das Konfliktgebiet vor. Letztere könnten zum Beispiel Aufklärungsflugzeuge sein.

Ob bei dem Aussenministertreffen bereits eine politische Grundsatzentscheidung für den Einsatz getroffen werden kann, war am Freitag unklar. In der kommenden Woche sind nach Angaben von EU-Diplomaten weitere Vorgespräche geplant. Die formelle Entscheidung zum Start der Militäroperation könnte dann beim Februar-Treffen der EU-Aussenminister getroffen werden.

Auswirkungen auf Welthandel

Die Unterbrechung des Schiffsverkehrs im Roten Meer führt – zeitlich verzögert – zu grossen Störungen im Welthandel. Die Umfahrung des südlichen Afrikas als Alternativroute dauert einige Tage mehr und ist teurer.

Am Donnerstag hat Elektroautobauer Tesla angekündigt, den Grossteil der Produktion in der Gigafactory in Berlin vom 29. Januar bis zum 11. Februar auszusetzen. Der Konflikt im Roten Meer, heisst es, führe zu erheblichen Lieferverzögerungen von Bauteilen. (mit SDA)

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?