Die Ära Sanna Marin (37) ist vorbei. Die finnische Ministerpräsidentin musste am Sonntagabend ihre Wahlniederlage einräumen. An die Stelle ihrer Sozialdemokratischen Partei sind die konservative Nationale Sammlungspartei Kok von Ex-Finanzminister Petteri Orpo (53) und die rechtspopulistische Finnen-Partei unter der Führung von Riikka Purra (45) gerückt.
Die drei grossen Parteien haben im Vergleich zu den Wahlen 2019 an Sitzen gewonnen. Dahinter: ein grosses Loch. Finnische Medien warnen, dass sich die politische Mitte nach und nach auflöst. Die Mittepartei hat ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten erzielt und die Grünen haben relativ gesehen die meisten Sitze verloren.
Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es sogar so aus, als könnten die Sozialdemokraten ganz aus der Regierung ausgeschlossen werden. Denn: Die erstplatzierte Kok wird wohl eine Koalition mit der zweitplatzierten Finnen-Partei bilden. Diese sogenannte blau-schwarze Koalition würde einen Rechtsrutsch Finnlands mit sich bringen.
Kommt jetzt das Koalitions-Chaos?
So einfach wird das allerdings nicht sein, erklärt die finnische Politologin Hanna Wass (45) gegenüber Blick: «Wir könnten sehr harte und langwierige Regierungsverhandlungen erleben.» Denn: Kok ist sich nicht hundertprozentig sicher, ob eine Verbindung mit der Finnen-Partei die richtige Lösung ist. Kok wird abwägen müssen, ob es dem Ruf des Landes und auch der eigenen Partei in der Bevölkerung schaden wird, eine rechtspopulistische Partei in der Regierung zu haben.
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Auch eine blau-rote Koalition, also zwischen der konservativen Kok und den Sozialdemokraten, wäre theoretisch möglich, so Wass. Dass die Partei mit den meisten Stimmen bei der Regierungsbildung die Zweitplatzierten überspringt, ist selten. Aber möglich. Dies war bereits 2019 der Fall – nur waren die Rollen vertauscht. Damals haben die Sozialdemokraten die konservative Kok übersprungen und mit anderen Parteien eine Regierung gebildet.
Regierung muss Wahlversprechen einhalten können
Eine solche Koalition könnte die neue Regierung aber vor ein weiteres Problem stellen: In der finnischen Politik gilt es traditionell als Ehre, Versprochenes und Gesagtes einzuhalten, schreibt die finnische Zeitung «Aamulehti». Je diverser eine Koalition ist, desto schwieriger wird es für die beteiligten Parteien, ihre im Wahlkampf angekündigten Versprechen zu halten. Das könnte wiederum für die finnische Bevölkerung schnell mal als Bruch der Wahlversprechen gedeutet werden.
Und wie lange wird es dauern, bis eine Regierung gebildet ist? Das kann leicht den grössten Teil der Monate April und Mai in Anspruch nehmen. Das liegt daran, dass die Parteien ausserordentlich viele Bedingungen gestellt haben, mit wem sie eine Regierung bilden wollen. Und aufgrund der fehlenden politischen Mitte wird eine Mehrheitsbildung schwierig. Dafür bräuchte Kok die Unterstützung von kleineren Parteien. Sicher ist nur, dass der gesamte Prozess vor den Mittsommer-Ferien im Juni abgeschlossen sein wird – einem der wichtigsten Feiertage in Finnland.