Keiner lebte so lange in der eisernen Lunge wie er: Paul Alexander (†78) aus Texas in den USA verbrachte über 70 Jahre im Beatmungsgerät.
Im Alter von sechs Jahren war er an Kinderlähmung erkrankt – und blieb vom Hals abwärts gelähmt. Nur mithilfe der Eisernen Lunge konnte er leben. Jetzt ist der 78-Jährige gestorben. Am 11. März hörte sein Herz auf zu schlagen.
Damit gibt es nur noch eine Person auf der Welt, die ebenfalls in der Eisernen Lunge gefangen ist. Auch Martha Lillard (76) aus Oklahoma in den USA nutzt die Maschine, um zu leben. Mittlerweile gibt es zwar bessere und vor allem angenehmere Alternativen, die von der modernen Medizin hervorgebracht wurden. Lilliard schwört aber auf die Eiserne Lunge als «die effizienteste, beste und bequemste Art», wie sie selbst im Gespräch mit «Radio Diaries» im Jahr 2021 sagte.
Familie hatte eine böse Befürchtung
Genauso wie Paul Alexander bekam Lillard als kleines Kind Polio, Kinderlähmung. Sie feierte am 8. Juni 1953 ihren fünften Geburtstag mit einer Party in einem Freizeitpark in ihrem Heimatstaat – es soll das letzte Fest werden, das sie unbeschwert feiert.
Nur eine Woche später wurde sie, als sie mit einem steifen Nacken und einer Erkältung aufwachte, von ihrer besorgten Familie ins Spital gebracht. Kurz darauf die Schock-Diagnose: Kinderlähmung!
Die Krankheit prägte von da an den Alltag der nun 76-Jährigen. Die darauffolgenden sechs Monate verbrachte sie in einer Eisernen Lunge im Spital.
So funktioniert die Eiserne Lunge
Die Eiserne Lunge war die erste Maschine, die eine künstliche Beatmung ermöglichte. Lediglich der Kopf der Patienten liegt frei – ab dem Hals ist der Körper luftdicht in einem Zylinder verschlossen.
Dadurch bildet sich ein Unterdruck, wodurch Luft durch den Umgebungsdruck durch Nase und Mund in den Körper der zu behandelnden Person gedrückt wird. Im Gegenzug entsteht so ein Überdruck im Inneren der Maschine, der automatisch zur Ausatmung führt.
«Es ist das, was mich heilt»
Lillard verbrachte selbst viel Zeit im Inneren der Maschine. Während sie gerne mit Kindern ihres Alters in die Schule oder mit ihren Geschwistern campen gegangen wäre, musste sie zu Hause bleiben. Bis heute schläft sie in der Eisernen Lunge.
Auch wenn das Gerät sie einige Erfahrungen und Erlebnisse kostete – sie konnte keine Kinder kriegen und auch keinen Job ausüben – hat sie gelernt, die Maschine als ihren Freund zu betrachten: «Es ist das, was mich trägt. Es ist das, was mich heilt. Dadurch kann ich am nächsten Tag atmen. Ich betrachte es als einen Freund, als einen sehr lieben Freund.»
Sie schafft es gerade noch, den Notruf zu wählen
Sie versucht bis heute, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Doch einmal, da fühlte sie sich besonders verloren. Wegen eines schlimmen Wintersturmes gab es einen Stromausfall. Auch der Notfallgenerator sprang nicht an. Und Lillard war in der Maschine gefangen.
Sie hatte Todesangst. «Es ist fast so, als würde man lebendig begraben. Ich hatte Schwierigkeiten beim Atmen. Und ich erinnere mich, wie ich mir laut sagte: ‹Ich werde nicht sterben›». Lillard schaffte es, den Notruf zu wählen, und konnte so gerettet werden.
Schreckenskrankheit Polio
Das Poliovirus überträgt sich durch kontaminiertes Wasser oder Lebensmittel und lähmt die Muskeln der Betroffenen – in den späten 1940er-Jahren wurden jährlich etwa 35'000 Fälle des Virus in den USA festgestellt.
Auch in der Schweiz mussten im Jahr 1954 viele Fälle von Polio behandelt werden: Rund 1628 Menschen waren betroffen. Daraufhin wurde 1957 die Polio-Impfung eingeführt. Laut dem Bundesamt für Gesundheit ist die Schweiz seit Anfang der 90er-Jahre poliofrei.