Er ist einer der zahlreichen Helden des Ukraine-Kriegs: Der kanadische Super-Sniper (40), der nur unter dem Spitznamen «Wali» bekannt ist. Anfang März reiste der Soldat, der durch einen Tötungsschuss aus 3,5 Kilometer Entfernung auf einen IS-Terroristen im Jahr 2017 weltweit Bekanntheit erlangte, in die Ukraine, um das Land gegen Russland zu unterstützen.
Nun, nach beinahe zwei Monaten und mehreren Einsätzen an den Fronten der Ukraine, ist Wali nach Kanada zurückgekehrt, zurück zu seiner Frau und seinem kleinen Sohn – und mit Erinnerungen an einen brutalen Krieg.
Ex-Soldat entkam dreimal knapp dem Tod
Im Interview mit «Bild» erklärte er, weshalb er in das Kriegsgebiet reiste. «Ich konnte nicht Nein sagen. Wenn du ein Krieger bist, spürst du eine Verantwortung, diese Menschen stemmen sich gegen die, wie man damals glaubte, zweitstärkste Armee der Welt – sie brauchten meine Hilfe.»
«Willkommen in der Hölle», so wurde er von seinen ukrainischen Kollegen in der Kampfgruppe willkommen geheissen. Und sie sollten recht behalten: Der erste Einsatz führte den freiwilligen Soldaten nach Irpin, wo seine Deckung von Hunderten Mörsergranaten und schwerem Gewehrfeuer zerstört wurde. Den Soldaten blieb nur noch der Rückzug, als letzte Option vor dem sicheren Tod, wie er der Zeitung schildert.
«Wir eilten durch den Hinterausgang zum Auto, Explosionen überall, Kugelhagel, beissender Rauch, wie in einem Kriegsfilm – bei der Wegfahrt wieder brutales Feuer, diesmal von Panzern.» Es war nicht das letzte Mal, dass der Kanadier sein eigenes Leben retten musste. Insgesamt dreimal konnte Wali dem Tod nur knapp entrinnen, die russische Munition verfehlte ihn jedes Mal haarscharf – und hat einigen seiner Soldatenfreunde das Leben genommen, so auch an der Ostfront im Donbass.
Sniper muss sich vor Russland schützen
Eines Nachts rief der Sniper seine Frau an. «Ich habe genug getan, findest du nicht?», fragte er sie und fasste den Entschluss, wieder nach Kanada zurückzukehren. «Ich wusste, dass mein Sohn mich langsam vergisst, dass ihm Videotelefonate nichts bedeuten und ich, wäre ich gefallen, immer nur eine Story für ihn gewesen wäre», erzählt er «Bild».
Ende April kehrte er dann tatsächlich nach Kanada zurück, wo er mit seiner Frau und seinem Sohn in einer selbst gebauten Hütte mitten im Wald lebt. Der Grund für sein Leben als Einsiedler: «Der lange Arm Russlands.» Denn Russland wurde schnell auf den Kanadier aufmerksam, verbreitete gar Gerüchte über seinen Tod.
Demnach soll Wali am 15. März in Mariupol gefallen sein. Die Rede war von einer Erfolgsgeschichte der russischen Armee, die es geschafft hatte, den «tödlichsten Sniper der Welt auszuschalten, der 40 bis 60 Russen pro Tag töten kann». Der Kanadier hat deshalb seit seiner Rückkehr sogar Pläne ausgearbeitet, wie er sich und seine Familie vor dem Zorn Russlands schützen könne.
«Ich jage – aber nur Menschen»
Im kanadischen Wald möchte Wali sich wieder entspannen können, ohne grausame Kriege und Todesangst. Obwohl seine Hütte bis zur Decke mit Waffen vollgestopft ist, ist der ehemalige Soldat kein Jäger – zumindest kein herkömmlicher. «Ich jage – aber nur Menschen», witzelt er im Interview mit schwarzem Humor.
Getötet habe er in der Ukraine allerdings niemanden, verrät er. «Einmal hatte ich jemandem im Zielfernrohr, aber ich war mir nicht hundertprozentig sicher, ob das ein Russe war. Darum habe ich nicht abgedrückt.»
Wali ist nach seinem Einsatz in der Ukraine der festen Überzeugung, dass das Land den Krieg gegen Russland gewinnen kann. Er erwartet allerdings einen Zermürbungskrieg, besonders im Donbass, der noch Jahre andauern könnte. «Die Russen sind nicht so stark wie erwartet, doch sie bleiben sehr gefährlich.» Die Ukrainer hingegen seien die couragiertesten Kämpfer, die er je getroffen habe. Das sei ein entscheidender Vorteil: «Das wichtigste ist, dass man die Willensstärke und Tapferkeit hat, den Krieg gewinnen zu wollen!» (chs)