Enttäuschte Belarus-Kandidatin mit ergreifender Ansprache
«Habe nicht so viel Kraft wie gedacht»

Nach einer weiteren Gewaltnacht in Belarus (Weissrussland) hat die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja in einer ergreifenden Videobotschaft ihre Ausreise ins Ausland gerechtfertigt. BLICK hat die rührende Ansprache übersetzt.
Publiziert: 11.08.2020 um 14:51 Uhr
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Aktualisiert: 13.08.2020 um 12:03 Uhr
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Swetlana Tichanowskaja ist nach den Wahlen in Belarus am Boden zerstört.
Foto: AFP

In ihrer Videobotschaft erklärte die Belarussin Swetlana Tichanowskaja (37) in ergreifenden Worten, warum sie nach den von Manipulation überschatteten Wahlen ins Ausland geflohen ist.

BLICK hat ihre ganze Rede übersetzt:

«Wisst ihr, ich dachte, diese ganze Kampagne hätte mich abgehärtet und mir so viel Kraft gegeben, dass ich alles aushalten kann. Aber ich bin wohl die gleiche schwache Frau geblieben, die ich schon vorher war. Ich habe eine für mich sehr harte Entscheidung getroffen. Diese Entscheidung habe ich absolut selbstständig getroffen. Weder meine Freunde, meine Verwandten, meine Stabsstelle noch Sergej haben irgendwie darauf einwirken können. Ich weiss, dass mich viele verstehen werden. Viele werden mich verurteilen und viele werden mich hassen. Aber Gott bewahre, dass jemand vor der gleichen Entscheidung stehen müsste, wie ich das tue. Leute, passt bitte auf euch auf! Kein Leben ist das Wert, was gerade passiert. Kinder sind das Wichtigste in unseren Leben.»

Nach der Präsidentenwahl am Sonntag brachen landesweite Proteste aus; es gab Tausende Festnahmen. Swetlana Tichanowskaja floh, weil auch sei bedroht wurde, ins benachbarte Litauen.

Kinder schon in Sicherheit

Die politisch unerfahrene Fremdsprachenlehrerin war im Juli als Kandidatin bei der Wahl in der autoritären Ex-Sowjetrepublik registriert worden. Sie war an Stelle ihres inhaftierten Ehemannes angetreten. Sergej Tichanowski (41) ist ein bekannter Blogger, der im Internet offen Korruption und Missstände unter Staatschef Alexander Lukaschenko (65) kritisiert.

Seine Frau wurde zur Hoffnungsträgerin der Opposition. Ihre minderjährigen Kinder brachte Tichanowskaja schon vor einiger Zeit ins Ausland.

Beschwerde eingereicht

Die Ausreise überraschte viele Beobachter. Tichanowskaja hatte noch zuvor bei einer Pressekonferenz gesagt, dass sie im Land bleiben werde und weiter kämpfen wolle. Tichanowskaja legte am Montag bei der Wahlleitung offiziell Beschwerde gegen das Ergebnis der Wahl ein.

Dann soll sie stundenlang nicht mehr erreichbar gewesen sein. «Leute, passt bitte auf Euch auf. Kein Leben ist es wert, was jetzt passiert. Kinder sind das Wichtigste im Leben», sagte Tichanowskaja. (gf/man/SDA)

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