Entscheid des deutschen Bundesgerichtshofs
Antisemitische «Judensau» darf an Kirchen-Fassade bleiben

Ein als «Judensau» bezeichnetes Sandsteinrelief darf nach einer Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) an der Fassade der Stadtkirche Wittenberg in Sachsen-Anhalt bleiben.
Publiziert: 14.06.2022 um 11:50 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2022 um 17:08 Uhr
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Ein als «Judensau» bezeichnetes Sandsteinrelief schmückt die Fassade der Stadtkirche Wittenberg.
Foto: keystone-sda.ch

Das antijüdische Schweine-Relief, das an der Fassade der Stadtkirche Wittenberg in Sachsen-Anhalt hängt, erinnert an die düsterste Zeit in der deutschen Geschichte.

Wie das deutsche Bundesgericht (BGH) nun entschieden hat, darf das Sandsteinrelief trotzdem da hängen bleiben. Durch eine Bodenplatte und einen Aufsteller mit erläuterndem Text habe die Kirchengemeinde das «Schandmal» in ein «Mahnmal» umgewandelt, befanden die obersten deutschen Zivilrichterinnen und -richter in ihrem Urteil am Dienstag in Karlsruhe.

Judenfeindliche Abbildung

Bis Bodenplatte und Aufsteller in den 1980er Jahren ergänzt wurden, habe die Abbildung aus dem 13. Jahrhundert «einen das jüdische Volk und seine Religion massiv diffamierenden Aussagegehalt» gehabt und Judenfeindlichkeit und Hass zum Ausdruck gebracht, hiess es weiter.

Das Relief zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch Spitzhüte als Juden identifiziert werden sollen. Eine laut BGH als Rabbiner geltende Figur hebt den Schwanz des Tieres und blickt in den After. Schweine gelten im jüdischen Glauben als unrein.

Ausgerechnet in Wittenberg – der Stadt der Reformation in Deutschland

Der Kläger, der nach eigenen Angaben 1978 zum Judentum konvertiert war, wollte, dass die antijüdische Darstellung entfernt wird. Auch in den Vorinstanzen war er gescheitert. «Solange sie an der Kirche ist, ist sie Teil der Verkündigung der Kirche», wurde der Kläger am Dienstag im Deutschlandfunk zitiert.

Der Fall hat Brisanz, denn die rund 100 Kilometer südwestlich von Berlin gelegene Stadt Wittenberg ist das Zentrum der Reformation in Deutschland. An der Stadtkirche predigte der Theologe Martin Luther (1483-1546), und in Wittenberg veröffentliche er 1517 auch seine berühmten 95 Thesen gegen den Ablasshandel der katholischen Kirche.

«Juden verhöhnen, ausgrenzen und demütigen»

Wikipedia schreibt zum Thema: Die Tiermetapher «Judensau» bezeichnet ein im Hochmittelalter entstandenes häufiges Bildmotiv der antijudaistischen christlichen Kunst. Es sollte Juden verhöhnen, ausgrenzen und demütigen, da das Schwein im Judentum als unrein (hebräisch tame) gilt und einem religiösen Nahrungstabu unterliegt. Spottbilder mit dem Judensaumotiv sind seit dem frühen 13. Jahrhundert belegt und auf Steinreliefs und Skulpturen an etwa 30 Kirchen und anderen Gebäuden vor allem in Deutschland bis heute zu sehen.

Wikipedia schreibt zum Thema: Die Tiermetapher «Judensau» bezeichnet ein im Hochmittelalter entstandenes häufiges Bildmotiv der antijudaistischen christlichen Kunst. Es sollte Juden verhöhnen, ausgrenzen und demütigen, da das Schwein im Judentum als unrein (hebräisch tame) gilt und einem religiösen Nahrungstabu unterliegt. Spottbilder mit dem Judensaumotiv sind seit dem frühen 13. Jahrhundert belegt und auf Steinreliefs und Skulpturen an etwa 30 Kirchen und anderen Gebäuden vor allem in Deutschland bis heute zu sehen.

In seiner Hetzschrift «Von den Juden und ihren Lügen» (1543) rief Luther dazu auf, Synagogen zu verbrennen und Juden «aus unserm Lande» zu vertreiben. (SDA/dzc)

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