Reporter bei Ausschreitungen von Tränengas getroffen
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Proteste in Beirut:Reporter bei Ausschreitungen von Tränengas getroffen

Ein Jahr nach der Explosion
Armee und Bevölkerung liefern sich Strassenkampf in Beirut

Am Jahrestag zur Explosion gehen Tausende in Beirut auf die Strasse. Demonstranten werfen Molotow-Cocktails und Feuerraketen, die Polizei feuert mit Gummischrot und Tränengas.
Publiziert: 04.08.2021 um 20:21 Uhr
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Entfesselte Wut am Mittwochabend in Beirut.
Foto: AFP
Alex Spoerndli

Trauer, Verzweiflung und Wut treiben die Menschen in der libanesischen Hauptstadt Beirut am Mittwochabend auf die Strasse. Trauer um ihre Liebsten, die sie bei der Explosion im Hafen vor einem Jahr verloren haben. Verzweiflung, weil sich die Situation im Land verschlimmert – Tag für Tag. Und Wut auf die Regierung, die das Drama hätte verhindern können.

Die Bevölkerung versammelt sich um 6.07 Uhr am Hafen, hält eine Schweigeminute ab. Die Sirenen der Feuerwehren und Ambulanzen dröhnen. Wehende Flaggen.

So krass war die Explosion in Beirut
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Ein Jahr danach:So krass war die Explosion in Beirut

Tränengas und Gummischrot

Dann setzten sich die Menschen in Bewegung, laufen Richtung Parlament. Armee und Polizei schirmen das Gebäude ab. Innert Minuten eskaliert die Situation.

Demonstranten werfen Steine auf Beamte, schiessen Feuerraketen und Molotow-Cocktails ab, zünden Trümmer an. Die Polizei und Armee reagiert mit Tränengas und Gummischrot, feuern in die Menge. Auf Zivilisten, Protestierende, Journalisten. Eine Strassenschlacht am Jahrestag nach der Tragödie.

Am Abend des 4. Augusts 2020 explodieren in einem Lagerhaus in Beirut Hunderte Tonnen von Ammoniumnitrat. Mehr als 200 Menschen sterben, 6000 werden verletzt. Innert Sekunden sind angrenzende Wohngebiete zerstört, die Bewohner ohne Dach über dem Kopf.

«Herrschen lieber übers Nichts»

Die Regierung spricht von einem Unfall. Doch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) legte Beweise vor, dass die Explosion hätte verhindert werden können. Sie habe trotz mehrerer Warnungen vor dem hochexplosiven Stoff nicht reagiert, ihn weiterhin unzureichend gesichert und schlecht gelagert.

Die Bevölkerung fordert Gerechtigkeit. Demonstrant Henry sagt am Mittwochabend zu Blick: «Wir werden von Korrupten regiert, denen das Land egal ist. Sie herrschen lieber übers Nichts, als die Herrschaft abzugeben.»

So krass war die Explosion in Beirut
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Ein Jahr danach:So krass war die Explosion in Beirut

Vielen Menschen in Beirut fehlt es nach wie vor am Nötigsten. 70 Prozent der Haushalte haben nach der Katastrophe Unterstützung angefragt. 98 Prozent von ihnen brauchen bis heute Hilfe, vor allem Geld für Lebensmittel.

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