New York ist nicht mehr New York, Rom wirkt wie eine Geisterstadt, Menschen weltweit tragen Gesichtsschutz: Wer vor einem Jahr so einen Blick in die Zukunft vorausgesagt hätte, wäre für verrückt erklärt worden.
Tatsache heute, ein Jahr nach dem Ausbruch des Coronavirus, ist, dass das Virus die Welt grundlegend verändert hat. Für wie lange, wann wieder ein Normalzustand herrscht, das weiss niemand. Hoffnungen ruhen auf grossangelegten Impfkampagnen. Die erste beginnt diese Woche in Grossbritannien.
Werden Ungeimpfte ohne Impfausweis fortan vor geschlossenen Türen stehen? Diese und andere brennende Fragen werden die nächsten Monate beantworten, während sich Menschen und Nationen wieder von einem Virus aufzurichten versuchen, das gerade mal einhundert Millionstel Millimeter klein ist und die Welt in die Knie gezwungen hat.
67 Millionen Infizierte, 1,54 Millionen Tote weltweit
Das Virus hatte vor rund einem Jahr begonnen, sich unerkannt um den Erdball zu verbreiten. Laut Echtzeitdaten der Universität Johns Hopkins, die weltweit als Standard bezüglich globaler Infektionsraten gelten, haben sich mittlerweile 67 Millionen Menschen infiziert. Weltweit sind in diesem Jahr fast 1,54 Millionen Menschen am Virus gestorben. Diese Zahlen weisen aber nur die bestätigten Fälle auf. Zumal die Lungenseuche nicht gleich erkannt worden war und weil verschiedene Länder verschieden testen, muss mit einer hohen Dunkelziffer von Fällen gerechnet werden.
Die Liste der Länder mit den meisten Opfern seither: Amerika weist die höchsten Opfer- und Infektionszahlen vor Brasilien, Indien, Mexiko und Grossbritannien auf, gefolgt von Italien, Frankreich, Iran, Spanien und, an zehnter Stelle, Russland.
Das zähe, ständig mutierende, hochinfektiöse Virus trat erstmals als mysteriöse Lungenerkrankung im chinesischen Wuhan auf. China redete und rechnete die Gefahr der tödlichen Seuche zunächst klein. Das neuartige Fieber war schon im Dezember 2019 aufgetreten, wie sich später herausstellen sollte.
Virus breitet sich um die Welt aus
Im Januar 2020 bestätigt China die ersten Todesfälle einer Krankheit, die damals noch nicht einmal einen offiziellen Namen hatte. In den folgenden Wochen ist von Covid-19 die Rede, von Sars-Cov-2, die beide das Gleiche meinen: ein Virus namens Corona, das bald jeder Mensch des Erdballs kennt.
In China wird die bislang grösste Quarantäne in der Geschichte der Menschheit verordnet. Am 23. Januar wird Wuhan abgeriegelt, daraufhin die Provinz Hubei. 60 Millionen Menschen leben abgeschottet von der Aussenwelt in ihren eigenen vier Wänden. Die Welt staunt über Chinas drastische Massnahmen und nimmt die Gefahr noch nicht richtig ernst.
Dabei hat sich Covid-19 längst rund um den Erdball verbreitet. Am 24. Januar meldet Frankreich erste Fälle. Ein Autowerk im deutschen Starnberg bestätigt zwei Infizierte. In Italien folgt der erste bestätigte Fall am 21. Februar. Das Land wird schnell zum ersten Corona-Seuchenherd Europas. Am 11. März ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Corona-Ausbruch zur globalen Pandemie aus.
Grösste globale Krise seit dem Zweiten Weltkrieg
US-Präsident Donald Trump (74) schliesst die US-Grenze für Reisende, der schwarze Montag Mitte März führt zu einem weltweiten Börsencrash. Krankenhäuser in Italiens Lombardei sind am Limit. Schnell wird das ganze Land zur roten Zone, 60 Millionen Menschen stehen unter Zwangsquarantäne. Angehörige konnten Sterbende nicht mehr besuchen. Ärzte haben die Wahl zu treffen, welche Erkrankten Atemgeräte erhalten und womöglich überleben, welche nicht.
Auch Madrid und Paris stehen plötzlich still, weltweit bangen Hunderte Millionen Menschen um ihre Existenz. Ganze Bevölkerungskreise werden von Staatshilfe abhängig. Es ist von der grössten Krise der Welt seit dem Zweiten Weltkrieg die Rede. Der weltweite Flugverkehr kommt zum Erliegen, Nationen riegeln sich ab. Zum Epizentrum der Pandemie werden bald die USA.
In der Schweiz hat der Bundesrat den ersten Lockdown am 16. März ausgerufen. Massnahmen werden im April wieder gelockert. Doch Entwarnungen über die warmen Sommermonate erweisen sich als verfrüht. Nach Ende der sommerlichen Reisesaison und dem Fall von Temperaturen meldet sich das Virus in der nördlichen Hemisphäre zurück: tödlicher als zuvor.
Zweite Welle erfasst Europa
Je länger die Corona-Massnahmen andauern, desto mehr macht sich Unzufriedenheit bemerkbar. Während asiatische Nationen die Pandemie mittels Disziplin unter Kontrolle bringen, greifen Massnahmen in der westlichen Hemisphäre weniger.
Am 2. Oktober, einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen, hat sich auch US-Präsident Trump mit dem Virus infiziert. Der Mann, der das Virus immer verharmloste, führte Wahlkampf aus dem Krankenhaus. Nur vier Tage später, nach privilegierter Pflege, inszeniert er eine dramatische Rückkehr ins Weisse Haus und rät Menschen, sich vom Virus nichts anhaben zu lassen.
Derweil steigen die Fallzahlen in Europa dramatisch. Regierungen haben die Gratwanderung zu bewältigen, Bevölkerungen zu schützen und dabei die Volkswirtschaften nicht ganz abzuwürgen. Der Teil-Lockdown mit strikten Regeln kehrt zurück.
WHO: Impfungen bedeuten nicht das Ende der Pandemie
Die Pharmaindustrie meldet erste Durchbrüche bezüglich Impfmittelforschung. Grossbritannien genehmigt als erstes Land den Pfizer/Biontech-Impfstoff und beginnt in der zweiten Dezember-Woche mit einer massiven landesweiten Impfkampagne. Weitere Impfstoffe stehen vor der Zulassung. Die Welt schöpft Hoffnung.
In China ist das Virus inzwischen so gut wie besiegt, auch dank massiver Eingriffe in die Privatsphäre von Menschen. Der Westen erwartet, die Pandemie bis nächsten Sommer bewältigt zu haben.
Impfungen bedeuten noch nicht das Ende der Pandemie, hat jetzt die WHO gewarnt: «Impfstoffe bedeuten nicht gleich null Covid», sagt Mike Ryan, WHO-Geschäftsführer für Gesundheitsnotfälle. Die Menschen müssten weiter daran arbeiten, ihr persönliches Verhalten und ihre Hygiene in den Griff zu bekommen, so Ryan. Auch seien Impfstoffe noch eine Weile nicht für jeden verfügbar.