Drama um polnische MiG-29-Jets
USA möchte Eskalation zwischen Nato und Russland vermeiden

Will man nun Kampfjets in die Ukraine liefern oder doch nicht? Um diese Frage streiten sich die USA und Polen zurzeit. Jetzt soll die Idee aber ganz vom Tisch sein. Ein Experte erklärt, weshalb.
Publiziert: 09.03.2022 um 20:32 Uhr
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Polen möchte 28 Kampfjets des Typs MiG-29 an die Ukraine liefern.
Foto: IMAGO/Bjšrn Trotzki
Chiara Schlenz

Dieser Deal ist wohl endgültig vom Tisch: Die USA haben das Angebot Polens zur Lieferung von Kampfflugzeugen des Typs MiG-29 an den US-Stützpunkt in Ramstein zur anschliessenden Weitergabe an die Ukraine für den Kampf gegen Russland zurückgewiesen. «Wir werden uns weiterhin mit Polen und unseren anderen Nato-Verbündeten über dieses Thema und die damit verbundenen schwierigen logistischen Herausforderungen beraten, aber wir glauben nicht, dass der polnische Vorschlag haltbar ist», erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby (59) am Dienstagabend (Ortszeit).

Der Vorschlag war, dass die USA die Maschinen des Typs MiG-29 anschliessend an die Ukraine liefern könnten, deren Piloten an diesem Typ geschult sind. Kirby erklärte jedoch, dass die Idee, dass die Kampfjets von einem US-Nato-Stützpunkt aus in den umkämpften ukrainischen Luftraum fliegen könnten, «dem gesamten Nato-Bündnis Anlass zu ernsten Bedenken» gibt.

Polen will, dass USA die Kampfjets in die Ukraine liefern

Noch am Wochenende schienen die USA darauf zu beharren, ebendiese Jets in einer Tauschaktion von der polnischen Regierung zu erhalten. Denn am Samstag wurde publik, dass Washington mit Polen an einer Vereinbarung über die Lieferung von Kampfflugzeugen aus der Sowjetzeit an die Ukraine arbeite. Im Gegenzug wollte die USA Polen mit F-16-Kampfjets aus US-Produktion beliefern. «Wir arbeiten mit den Polen in dieser Frage zusammen und beraten uns mit den übrigen Nato-Verbündeten», zitierten das «Wall Street Journal» und der Fernsehsender NBC am Wochenende einen Vertreter des Weissen Hauses.

Polen war allerdings gegen diesen Vorschlag – bis jetzt. Das Aussenministerium in Warschau hatte am Dienstag erklärt, es könne seine MiG-Jets «kostenlos und unverzüglich» zum US-Stützpunkt Ramstein in Deutschland bringen. Der Vorstoss legt nahe, dass die USA die sowjetischen Kampfjets anschliessend an die Ukraine liefern könnten. Polen will nicht als Beteiligter im russisch-ukrainischen Konflikt erscheinen – die USA jedoch auch nicht. Sie zeigten sich überrascht von dem Vorschlag aus Warschau und lehnten ihn umgehend ab. Während also Polen zwar die Jets liefert, sollen die USA diejenigen sein, die sie aktiv in das Kriegsgebiet liefern – und sich so praktisch in den Konflikt einmischen.

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Warum das nicht unbedingt wünschenswert ist, erklärt ETH-Sicherheits-Experte Niklas Masuhr gegenüber Blick: «Das liegt daran, dass man eine Eskalation zwischen Russland und der Nato verhindern will.» Dabei gebe es zwei Herausforderungen. Erstens sei die Kampfjet-Bewaffnung eine neue Qualität westlicher Unterstützung, im Gegensatz zu Panzer- und Luftabwehrraketen, die bisher in die Ukraine geliefert wurden.

Und zweitens müsse man die polnischen MiG-29 «denatofizieren». «Man muss also nicht nur Hoheitsabzeichen entfernen, sondern müsste auch westliches Kommunikationsequipment ausbauen». Ausserdem sei ein Start von Nato-Flugplätzen aus zu riskant, so Masuhr. «Das kann auf russischer Seite sehr schnell als westliche Intervention gedeutet werden – auf russischen Radarschirmen wird ja nicht ersichtlich, welchen Pass die Piloten haben.»

Sicherheitsexperte: «USA muss zwei Prioritäten verbinden»

Und warum haben die USA einen so plötzlichen Sinneswandel vollzogen? «Die USA wollen und müssen zwei Prioritäten miteinander verbinden, einerseits Eskalationskontrolle mit Russland, andererseits Kohäsion innerhalb der Nato. Es gibt also gegenläufige Kräfte für Zentralisierung, respektive Konsultation in Washington. Dieser Balanceakt ist nicht einfach», erklärt Masuhr.

«Man muss also europäischen Alliierten genug Raum geben, ihre Sicherheitsinteressen mit Blick auf den Krieg zu verfolgen, aber klare Linien ziehen, wenn Russland möglicherweise provoziert würde. Wo Moskaus ‹rote Linien› aber genau liegen, ist aktuell extrem schwer einzuschätzen und deshalb sind die USA nicht gewillt, den Transfer der MiG-29-Flugzeuge zu unterstützen».

Für Polen gehe es derweil um zwei Dinge, so Masuhr: «Unterstützung der Ukraine, politisch wie militärisch und die Modernisierung der eigenen Luftflotte, da man die MiGs mit US-Fabrikaten ersetzt wissen wollte, wahrscheinlich vom Typ F-16». Masuhr bezweifelt allerdings, ob eine Lieferung von Kampfjets die sinnvollste Art der Unterstützung für die Ukraine sei.

«Der Zustand und die Effektivität der ukrainischen Luftwaffe ist aktuell sehr schwer einzuschätzen, aber derzeit scheinen Luftabwehrsysteme auf beiden Seiten des Kriegs effektiver zu sein». Aktuell werden bereits Luftabwehrsysteme in die Ukraine geliefert, die von der ukrainischen Armee leicht bedient werden können. Hier würden sich vor allem das amerikanische System Stinger und deren sowjetische Nachfolger Strela und Igla eignen. Stinger und Strela wurden bereits von Deutschland in grossen Mengen in die Ukraine geliefert.

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