Russland hat einen Feind mehr. Neben der Ukraine und dem Westen befindet sich der Kreml seit dem Terror am Freitagabend auch mitten im Heiligen Krieg des Islamischen Staates. Was droht den lebend gefassten Terroristen jetzt? Und was ist über sie bekannt? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum Russland-Terror.
Was ist bekannt über die festgenommenen Terroristen?
Das Attentat von Moskau war kein Himmelfahrtskommando. Die Terroristen flohen nach der Tat. In der südlichen Region Brjansk wurden vier Männer festgenommen. Zudem meldet Russlands Inlandsgeheimdienst (FSB) die Verhaftung weiterer sieben Verdächtiger. Bei den vier mutmasslichen Todesschützen handelt es sich um Tadschiken. Sie sind 19, 25, 30 und 32 Jahre alt. Sie wurden am Sonntag dem Bezirksgericht Basmanny in Glaskäfigen vorgeführt. Videos, die zuvor in russischen Medien kursierten, zeigten, wie Sicherheitskräfte einem Festgenommenen das Ohr abschnitten und es ihm in den Mund steckten. Ein anderer wurden an den Haaren gerissen, geschlagen und getreten, ein Dritter mit Elektroschocks gefoltert. Dem Jüngsten fehlt offenbar ein Auge.
Was droht den verhafteten Terroristen noch?
Mindestens drei Männer hatten die Teilnahme an der Schiesserei in der «Crocus City Hall» gestanden, berichtet die russische Nachrichtenagentur Interfax. Den Männern drohen lebenslange Freiheitsstrafen – oder gar die Todesstrafe. Denn diese wird nun wieder in der Duma diskutiert. Sie sei erforderlich, wenn es um Terror und Mord gehe, sagte der Vizevorsitzende des Ausschusses für Sicherheitsangelegenheiten in der Duma, Juri Afonin (47), am Samstag und der Fraktionschef der Regierungspartei «Geeintes Russland», Wladimir Wassiljew (74), kündigte dazu schon eine baldige Entscheidung an. Eine Todesstrafe könnte auch politischer Gegner vernichten, schreibt Frauenrechtlerin Aljona Popowa (41) im Onlinedienst Telegram besorgt.
Wie gefährlich ist die IS-Splittergruppe Khorasan?
Laut US-Geheimdienst geht das Attentat in Moskau, zu dem sich der IS bekannt hat, auf das Konto seines afghanischen Ablegers, dem «Islamischer Staat Provinz Khorasan». Gemäss einem Uno-Bericht kommandiert die Splittergruppe über 6000 Kämpfer. Für den Islam-Forscher Lorenzo Vidino (47) ist der ISPK die gefährlichste Truppe innerhalb des IS. Sie verfüge über ein weites Netzwerk in den ehemaligen sowjetischen Republiken in Zentralasien, rekrutiere daraus ihre Krieger und habe bereits mit dem Attentat auf das Mausoleum von Soleimani Anfang Jahr im Iran, ihre Schlagkraft gezeigt, so der Italoamerikaner im «Quotidiano Nazionale». Die blutige Bilanz damals: 91 Tote, 280 Verletzte. Russland war schon früher Ziel des ISPK. Im September 2022 starben bei einem Selbstmordanschlag vor der russischen Botschaft in der afghanischen Hauptstadt Kabul acht Menschen.
Warum hasst der IS Russland?
Russland zählt zwar nicht zum Westen, ist aber ein genauso ein Feindbild der Dschihadisten. Das Blut von Muslimen klebe an den Händen des Kremls, heisst es auf den Internet-Kanälen des IS. Der Hass geht zurück auf die sowjetische Besatzungszeit in Afghanistan von 1979 bis 1989. In den blutigen Tschetschenien-Kriegen (1994–1996 und 1999–2009) wurden Tausende von Glaubensbrüdern getötet. Und Russland bekämpfte gezielt den IS in Syrien. Zudem sind die meisten Russen orthodoxe Christen und somit Ungläubige, die es zu vernichten gilt.
Was bedeutet das Attentat für die Ukraine und für den Westen?
Der Kreml stellt die Ukraine als Komplize der Attentäter dar. Damit wolle Wladimir Putin die Stimmung im Land gegen den Kriegsgegner aufheizen und eine neue Mobilmachung in Russland rechtfertigen, meint ein Sprecher des Ukrainischen Desinformationszentrums gegenüber der Nachrichtenagentur Unian – eine Befürchtung, die viele Kriegsbeobachter teilen.
EU-Staaten fürchten neue islamistische Anschläge. Frankreich hat die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen. So auch Italien. Im Hinblick auf die Osterfeiertage würde die Sicherheit der Netzwerke, Flughäfen und anderer möglicher Terrorziele verschärft, verkündet Rom. Ebenso alarmiert ist Deutschland. «Die Gefahr durch islamistischen Terrorismus bleibt akut», sagte die Bundesinnenministerin Nancy Faeser gegenüber der «Süddeutschen Zeitung». Der ISPK plante bereits zu Weihnachten 2023 Anschläge auf den Kölner Dom und den Stephansdom in Wien, die aber verhindert werden konnten.
Weitere Informationen zum Terroranschlag findest du in unserem Ticker.