Die Taliban, der Schlafmohn und der Opiumhandel
Auch eine kleine rosa Blume hat Amerikas Kriegsfiasko in Afghanistan verursacht

Amerikas militärisches Fiasko in Afghanistan wurde auch durch eine kleine rosa Blume verursacht: Schlafmohn, der sich doppelt an den USA rächt. Daraus gewonnene Opiate kaufen die Waffen der Taliban – und überschwemmen das Amerika der Opioid-Epidemie mit billigem Heroin.
Publiziert: 17.08.2021 um 01:04 Uhr
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Aktualisiert: 17.08.2021 um 10:00 Uhr
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In den USA grassiert eine Opiate-Epidemie.
Foto: AFP
Daniel Kestenholz

Vor ihrem Sturz Ende 2001 durch die US-Invasion waren die Taliban von der Uno noch dafür gerühmt worden, den Anbau von Schlafmohn im Land weitgehend ausgerottet zu haben. Aus Schlafmohn wird Rohopium und daraus Heroin gewonnen. Die Taliban hatten den Mohnanbau im Jahr 2000 verboten, als sie internationale Legitimität suchten. In den von den Radikalislamisten kontrollierten Gebieten ging der Anbau der rosa Blumen laut Uno-Angaben um 99 Prozent zurück. Das entsprach etwa drei Viertel des damaligen Weltangebots an Heroin, das vom Weltmarkt verschwand. Selbst die USA lobten die Taliban noch im Mai 2001 für das Mohnverbot: «Eine Entscheidung der Taliban, die wir begrüssen», so der damalige US-Aussenminister Colin Powell (84).

Nach der US-Invasion schnellte der Mohnanbau in Afghanistan wieder hoch. Mit dem Ergebnis, dass das «befreite» Afghanistan die USA und auch Briten, die den Amerikanern auf Fuss gefolgt waren, seit der Invasion mit billigem afghanischem Heroin überschwemmt.

Die verheerenden Konsequenzen davon sind heute in Amerika nur zu gut zu erkennen: Allein 2019 starben in den USA laut dem staatlichen Institut für Drogenmissbrauch mehr als 50'000 Süchtige an einer Opioide-Überdosis. Dabei machen auch die Pharmakonzerne Purdue und Johnson & Johnson mächtig Geld: Sie haben sich in den USA zu zahllosen Klagen zu verantworten, suchtgefährdende Opiate-Schmerzmitte unrechtmässig zu vermarkten.

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US-Invasion machte Afghanistan zum ersten echten Drogenstaat der Welt

Doch auch viel Heroin aus Afghanistan flutet den amerikanischen Drogenmarkt. Ein Fakt, der in den offiziellen US-Regierungszahlen nicht zu finden ist. Der Fakt, dass die Afghanistan-Invasion indirekt zur grössten Drogenepidemie überhaupt in der Geschichte der USA führte.

Dabei hatte der damalige britische Premier Tony Blair (68) afghanisches Heroin noch als Argument dafür bezeichnet, in Afghanistan einzumarschieren und die Taliban zu stürzen. Afghanistan und sein Heroin, so Blair, seien Schuld am Tod zahlloser junger Menschen in Westen. Ungeachtet der Tatsache, dass ebendiese Taliban der Heroinschwemme aus ihrem Land den Riegel zu schieben versuchten.

Der Einmarsch des Westens am Hindukusch führte dazu, dass Afghanistan zum ersten echten Drogenstaat der Welt wurde. Zeigten sich die Amerikaner in den ersten Jahren noch bemüht, Mohnfelder auszurotten, zogen sie damit nur den Zorn von Bauern, Dörfern, ja ganzen Landstrichen auf sich. Mohn, das bedeutete gutes Geld. Und die bald in vielen Gebieten wieder blühenden Mohnfelder ölten die Kriegsmaschinerie der Taliban-Guerilla.

Kriegsgerät dank Mohn

«Die Taliban haben sich auf den afghanischen Opiumhandel als eine ihrer Haupteinnahmequellen verlassen», sagt Cesar Gudes, Leiter des Kabuler Büros des Uno-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC), der Nachrichtenagentur Reuters. Nach Schätzungen der Uno-Behörde stammen heute mehr als 80 Prozent der weltweiten Opiums und Heroins aus Afghanistan. Die Taliban konnten damit praktisch unter dem Schutz der USA zur am stärksten durch Drogen finanzierten, nicht terroristisch eingestuften Organisation der Welt heranwachsen.

Drogen seien Afghanistans «grösster Wirtschaftszweig ausser dem Krieg», sagt auch Barnett Rubin, ein ehemaliger Afghanistan-Berater des US-Aussenministeriums. Das Rekordjahr 2017 mit 9900 Tonnen Opium spülte afghanischen Bauern 1,4 Milliarden Dollar in die Kassen. Die Taliban sind laut Uno an allen Schritten des Drogenhandels beteiligt – am Mohnanbau, an der Opiumgewinnung, am Handel, an der Erhebung von Steuern von Anbauern und Drogenlaboren bis hin zur Einforderung von Schmugglergebühren für Lieferungen nach Afrika, Europa, Kanada, Russland, in den Nahen Osten und andere Teile Asiens.

Wie viele Millionen die Taliban jährlich dank der unscheinbaren rosa Mohnblume verdienen, darüber gibt es keine verlässlichen Zahlen. Genug, um sich 20 Jahre lang nicht von der modernsten und stärksten Armee der Welt besiegen zu lassen.

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