Bei den Parlamentswahlen in Schweden hat das bürgerliche Lager gegen den Linksblock knapp gewonnen. Nach acht Jahren unter sozialdemokratischer Führung steht Schweden daher vor einer politischen Zeitenwende.
Drei Tage nach der Parlamentswahl kündigte die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson (55) ihren Rücktritt an. Damit ist der Weg ihres Herausforderers Ulf Kristersson (58) von den Moderaterna frei, um sich an der Bildung einer neuen Regierung zu versuchen. Kristersson: «Meine Botschaft ist, dass ich einen will, nicht spalten.»
Zwar sind die Sozialdemokraten mit 30,3 Prozent Wahlanteil immer noch die stärkste Partei. Die grossen Gewinner sind aber die rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die mit 20,5 Prozent der Stimmen zweitstärkste Partei geworden sind. Die grosse Frage ist nun: Werden sie zum erstenmal in die Regierung eingebunden?
Ein schwieriger Entscheid
Für die Sozialdemokraten war das stets ein No-Go. Die Konservativen hingegen wollen die Türen nicht verschliessen. Klaus Müller-Wille (55), Nordistik-Professor an der Uni Zürich, sagt gegenüber Blick: «Die beiden traditionellen bürgerlich-konservativen und liberalen Parteien Moderaterna und Liberalerna zögern noch, wenn es um die Frage nach einer Regierungsbeteiligung der Schwedendemokraten geht.»
Der Entscheid, diese in eine Regierung aufzunehmen, sei nicht einfach, sagt Müller-Wille. «Tatsächlich hat in Dänemark das Beispiel der Dansk Folkeparti gezeigt, wie schwer sich rechtspopulistische Parteien damit tun, ihr eigenes Handeln in der Regierung zu legitimieren. Umgekehrt zeigt gerade das Beispiel Dänemark, wie weit sich der politische Diskurs insgesamt unter dem Einfluss dieser Partei nach rechts verschoben hat.»
Gepunktet haben die SD vor allem mit ihrem Hauptthema: die gescheiterte Integration vieler Einwanderer als Folge der liberalen Asylpolitik Schwedens. Tatsächlich herrscht in Schweden eine brutale Bandenkriminalität, die jedes Jahr mehrere Tote fordert – im Schnitt werden täglich zwei Tötungsdelikte verzeichnet. In Vorstädten haben sich Parallelgesellschaften ausgebreitet.
Klaus Müller-Wille sagt: «Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass in der Integrations- und der Kriminalitätspolitik der letzten Jahrzehnte in Schweden viele Fehler gemacht wurden.» Es überrasche ihn aber, dass dieses Thema im Wahlkampf dominierend war, während sich Schweden zugleich in einer konkreten Bedrohungslage durch Russland befinde und auch Auswirkungen des Klimawandels spüre.
Rassistisches Gedankengut
Weitere heisse Wahlkampfthemen waren das Gesundheitssystem, das reformiert werden muss, Privatschulen, die mit öffentlichen Geldern grosse Gewinne machen, sowie die explodierenden Energiepreise. Kaum eine Rolle dagegen spielte der angestrebte Nato-Beitritt, der von praktisch allen Parteien unterstützt wird.
Müller-Wille schaut besorgt auf die Entwicklung in Schweden. Er hält die SD wegen ihrer «eindeutig rechtsextremen Vergangenheit» für gefährlicher als andere rechtspopulistischen Parteien in Skandinavien. «Zwar bemüht sich die Partei, ihre politische Herkunft zu verleugnen. Immer wieder jedoch kommt es zu Ausfällen, die zeigen, dass rassistisches und faschistisches Gedankengut zumindest in der Parteibasis immer noch virulent ist.»