Zur Papst-Beerdigung reisen Menschen aus aller Welt an – aber die Frau, die Papst Franziskus am längsten kennt, muss in Argentinien bleiben: Der gesundheitliche Zustand lässt es nicht zu, dass Franziskus’ jüngste Schwester María Elena Bergoglio (77) nach Rom reist.
Das Bergoglio-Nesthäkchen
Wer ist María Elena Bergoglio? Sie ist die noch einzige lebende Papstschwester und wohnt in Buenos Aires. Jorge Bergoglio, ihr grosser Bruder, war der älteste von insgesamt fünf Kindern; seine elf Jahre jüngere Schwester María Elena war das Nesthäkchen. Zwei weitere Brüder und eine Schwester sind schon länger tot.
Zur italienischen Zeitung «La Repubblica» sagte die Argentinierin: «Jorge Mario war für mich der ältere Bruder, der Fussball spielte, der zur ‹Azione Cattolica› (Anm. d. Red. Katholische Bewegung für soziales Engagement) ging und der studierte.»
María Elena liess sich scheiden – ihr Bruder half ihr
Das Leben seiner Schwester dürfte auch Einfluss auf die Theologie des Papstes gehabt haben – denn die Realität der Menschen und das kirchliche Lehramt klaffen oft auseinander. «Als ich mich von meinem Mann scheiden liess, hat er mich unterstützt und mir geholfen», sagt María Elena. Das katholische Lehramt hält an der Unauflöslichkeit der Ehe fest, Franziskus setzte mit seinem Lehrschreiben «Amoris laetitia» Impulse, wie die Kirche mit der Lebensrealität der Menschen besser umgehen kann.
Papst Franziskus war mit seiner Schwester innig verbunden. In seiner Autobiografie «Hoffe» beschreibt er, wie sehr er sich über die Geburt seiner Schwester freute – zuvor hatte seine Mutter kurz nach der Schwangerschaft ein Kind verloren. Franziskus, der davor warnte, zu viel Zeit am Smartphone zu verbringen, schreibt über seine Kindheit: «Kein Algorithmus kann je die Kindheitserinnerungen umfassen. Ich denke dabei an meine Oma, die mir gezeigt hat, wie man mit der Gabel die Ränder der empanadas (Teigtaschen, Anm. d. Redaktion) verschliesst (...); an die Aufregung, als meine Schwester Maria Elena zur Welt kam; an die Rührung, als ich mich um einen aus dem Nest gefallenen Vogel kümmerte.»
Der grosse Bruder wird zur Vaterfigur
Später wurde Jorge für María Elena zur Vaterfigur: Vater Bergoglio starb 1961 im Alter von 53 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes, María Elena war damals 13 Jahre alt. «Es war für alle ein harter Schlag, ein Trauma für die ganze Familie. In jenem Jahr vertrat ich, der älteste Sohn, an María Elena zwangsläufig ein wenig die Vaterrolle.» In Rom bedauerte er, wenig Kontakt zu seiner Schwester zu haben: «So weit weg von meiner Schwester zu sein, ist sicher eine der grössten Verzichtsleistungen, die ich zu bringen habe. Auch aus diesem Grund rufe ich sie auch heute noch jeden Sonntagabend an», schreibt Franziskus in seinem Buch.
María Elena war die dritte Person, die Bergoglio nach seiner überraschenden Wahl zum Papst angerufen hatte. Als Erstes hatte er sich bei seinem Vorgänger Benedikt XVI. gemeldet, als Zweites beim Schweizer Vatikandiplomaten Emil Paul Tscherrig (78) – der Walliser war damals Papst-Botschafter in Buenos Aires. Als Drittes rief Franziskus seine Schwester an. María Elena wollte wissen: «Aber wie geht es dir denn? Wie fühlst du dich?» Daraufhin antwortete der Papst: «Es geht mir gut, sehr gut. Entspann dich.» Dabei habe er kaum ein Wort herausgebracht, schreibt Franziskus. «Wir haben uns per Telefon umarmt und uns versprochen, dass wir einander immer im Herzen behalten würden.»
Eine Reise nach Rom war zu beschwerlich
Zu einem Wiedersehen kam es nicht mehr. Franziskus hatte zwar vor, seine argentinische Heimat zu besuchen – kehrte aber nie mehr nach Buenos Aires zurück. Und Maria Elena ist schon länger gesundheitlich angeschlagen. Zwar liess sie ihren Pass erneuern, um vielleicht doch noch eines Tages nach Rom zu reisen – doch die Strapazen wären zu beschwerlich. Laut argentinischen Medien kümmern sich Nonnen in Buenos Aires um sie.
Papst Franziskus spricht in seiner Autobiografie über seine Grossfamilie, die aus einer «temperamentvollen Schar von Kindern und Enkelkindern» bestehe. Ein Teil von ihnen reist zur Beerdigung an – María Elena hingegen bleibt in seinem geliebten Buenos Aires.