Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in der Corona-Krise keine gute Figur gemacht. Auch der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (41) kritisiert die in Genf ansässige UN-Sonderorganisation als unfähig, angemessen auf eine Pandemie zu reagieren.
«So, wie es jetzt ist, funktioniert es nicht», sagte Spahn bei einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Global Health Centre organisierten Veranstaltung am Mittwoch in Genf. «Wir alle haben hohe Erwartungen, was die WHO tun soll. Aber wenn es um die Finanzierung geht, haben wir Differenzen», sagte er über die Organisations-Struktur der WHO und die mehr als 190 Mitgliedsstaaten.
Spahn fordert internationalen Pandemie-Vertrag
Spahn kritisierte insbesondere die zweckgebundene Vergabe von Finanzmitteln und die Unverbindlichkeit, was die Implementierung von Standards und Regeln anbelangt. Es müsse zum Beispiel möglich sein, dass eine Untersuchungskommission in einen Mitgliedsstaat kommen dürfe, um zu schauen, ob das Land seine Verpflichtungen als WHO-Mitglied erfüllt.
«Wir müssen die WHO praktisch neu gründen», sagte Spahn. Aktuell fehlten Hebel, um Mitgliedsstaaten zu kontrollieren und zur Kooperation zu zwingen, sagte er mit Blick auf China, das die WHO-Untersuchungen zum Ursprung der Covid-19-Pandemie seit Beginn blockiert.
Spahn fordert ein verbindliches Abkommen für WHO-Mitgliedsstaaten, sich an Vorgaben zu halten und etwa Daten wie Infektionszahlen transparent zu machen. «Es braucht einen internationalen Pandemie-Vertrag und dafür müssen wir auch diskutieren, wofür die WHO steht und wofür sie zuständig ist.»
Die Idee ist nicht neu. Auch die Schweiz fordert einen globalen Pandemie-Vertrag. Die Befürworter hoffen, die Pläne bei der nächsten Weltgesundheitsversammlung im November konkretisieren zu können.
«Nächstes Jahr haben wir Vakzin-Überschuss»
Spahn hatte sich am Mittwoch auch mit WHO-Direktor Tedros Ghebreyesus (56) getroffen. Der deutsche Gesundheitsminister kündigte bei dem Besuch des Hauptbüros der Organisation an, der WHO weitere 260 Millionen Euro, umgerechnet 281 Millionen Franken, im Kampf gegen die Coronapandemie zur Verfügung zu stellen. Die Mittel dienten der Entwicklung, Herstellung und Verteilung von Coronatests, Behandlungsmethoden und Impfstoffen.
Gleichzeitig verteidigte Spahn Deutschlands Blockade einer vorübergehenden Patentfreigabe für in der Pandemie wichtige Impfstoffe. Statt Patente freizugeben, solle man lieber die Produktion der Hersteller und den Tech-Transfer erhöhen, sagte er kurz darauf im Genfer Global Health Centre. Er sehe hier bereits erhebliche Fortschritte: «Nächstes Jahr haben wir einen Überschuss an Vakzinen – ohne Patentverletzung.»