Bei Patientinnen und Patienten mit schwerem Corona-Verlauf kann die Lunge kaum mehr arbeiten: Sie ist so schwer geschädigt, dass der Körper nicht mehr genügend Sauerstoff aus der Luft aufnehmen kann. Betroffene müssen darum über eine lange Zeit beatmet werden. Deutsche Wissenschaftler, in Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut (RKI), haben in einer Studie jetzt herausgefunden, warum das so ist.
Bei vielen Menschen mit schwerem Corona vernarbt die Lunge aussergewöhnlich stark. Wie die Forschenden in der Fachzeitschrift «Cell» schreiben, spielen dabei Fresszellen des Immunsystems eine zentrale Rolle. Das Corona-Lungenversagen ähnelt demnach der idiopathischen Lungenfibrose, einer bis jetzt unheilbaren Form der Lungenvernarbung. Gemäss den Forschenden könnte das also erklären, warum die Lunge der Corona-Patieninnen und -Patienten so lange funktionsunfähig ist – und sie künstlich beatmet werden müssen.
Die Fachkräfte sprechen dabei von einem Acute Respiratory Distress Syndrom, oder kurz: ARDS. Das heisst, nur mit der Zugabe von Sauerstoff, einer unterstützenden Beatmung oder dem Einsatz einer künstlichen Lunge können Betroffene dieses akute Lungenversagen überhaupt überleben.
Lungenbeschädigung bei Corona besonders schwer
Dramatisch: Verglichen mit anderen Ursachen für ein Lungenversagen sei die Lungenschädigung bei Corona besonders schwer, sagt Leif Erik Sander, einer der beiden Studienleiter. «Patientinnen und Patienten mit schwerem Verlauf haben oft ein sehr stark ausgeprägtes Lungenversagen.» Es kommt noch dicker: «Die weitgehende Zerstörung ihrer Lungenstruktur geht leider mit einer sehr hohen Sterblichkeit von etwa 50 Prozent einher», sagt Leif weiter.
Als Grund für die lange Dauer des Lungenversagens vermutete das Forschungsteam unter anderem eine besondere Form des ARDS, bei der das Lungengewebe vernarbt, verdickt und darum unelastisch wird. Denn schon früh in der Corona-Pandemie sei bei einzelnen Betroffenen ein solcher als Fibrose bezeichneter Umbau des Gewebes aufgefallen, wie es heisst. Die Wissenschaftler konnten nun mit der Studie bestätigen, dass das schwere Corona-bedingte Lungenversagen tatsächlich äusserst häufig zusammen mit einer sehr ausgeprägten Vernarbung des Lungengewebes auftritt.
«Eine fehlgeleitete Reaktion sogenannter Makrophagen, die auch als Fresszellen des Immunsystems bekannt sind, könnte dafür mitverantwortlich sein», Antoine-Emmanuel Saliba, der zweite Leiter der Studie.
Vernarbung potenziell reparabel
Für die Studie untersuchte das Forscherteam die Lungen verstorbener Covid-19-Patienten anhand verschiedener mikroskopischer Aufnahmen. Bei fast allen Betroffenen seien enorme Schäden entdeckt worden: Die Lungenbläschen seien weitgehend zerstört, die Wände deutlich verdickt gewesen. Ausserdem fanden die Wissenschaftler ausgeprägte Ablagerungen von Kollagen, einem Hauptbestandteil von Narbengewebe. All dies sei charakteristisch für eine schwere Fibrose, heisst es weiter.
Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Erkrankungen: Bei Covid-19 sei die Vernarbung zumindest potenziell reparabel, schreiben die Wissenschaftler. Sie wollen darum nun genauer untersuchen, welche Prozesse dazu führen, dass sich eine Fibrose zurückbildet. Denn: «Wenn wir die Auflösung von vernarbtem Gewebe besser verstehen, können wir in Zukunft hoffentlich nicht nur Corona-Betroffenen, sondern auch Patientinnen und Patienten mit bisher unheilbarer Lungenfibrose helfen», sagen die Fachleute.