Fluggesellschaften, Bus- und Bahnunternehmen dürfen ab Sonntag nur noch deutsche Staatsbürger oder in Deutschland lebende Personen nach Deutschland befördern. Für Einreisende gilt eine zweiwöchige Quarantänepflicht, die auch nicht durch negative Tests verkürzt werden kann.
Grossbritannien ist das erste Land in Europa seit einiger Zeit, das wieder zum Virusvariantengebiet wird. In diese höchste Risikokategorie fallen derzeit nur elf Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika.
Mehr als 3400 Fälle
Die indische Virusvariante B.1.617.2 gilt als besonders ansteckend und hat massgeblich dazu beigetragen, dass die Infektionszahlen in Indien in den letzten Monaten explodiert sind. In Grossbritannien sind - Stand 19. Mai - mehr als 3400 Fälle der Variante bestätigt worden. Schwerpunkte sind vor allem die Städte Blackburn und Bolton in Mittelengland sowie ein Westlondoner Bezirk. Es gebe allerdings auch in anderen Gegenden einzelne «Cluster», teilte die Gesundheitsbehörde Public Health England mit.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) liegen zur indischen Variante noch keine ausreichenden Daten vor. Vermutet werde eine deutlich höhere Übertragbarkeit und wahrscheinlich ein leicht reduzierter Impfschutz, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. Gesundheitsminister Jens Spahn (41, CDU) äusserte sich mit Blick auf Grossbritannien besorgt. Es solle vermieden werden, dass sich die Variante in Deutschland verbreite, sagte er bereits vor der Einstufung als Virusvariantengebiet.
Höchste Risikostufe
Grossbritannien galt zwischenzeitlich als Erfolgsmodell, was die Bekämpfung der Corona-Pandemie angeht. Ein harter Lockdown und ein hohes Impftempo hatten die Infektionszahlen so weit gedrückt, dass die Bundesregierung das Land vorübergehend ganz von der Liste der Corona-Risikogebiete nahm. In der vergangenen Woche wurde es wegen der indischen Virusvariante aber wieder in die niedrigste Risikokategorie eingestuft. Ab Sonntag gilt für das Vereinigte Königreich wieder die höchste Risikostufe.
Die britische Regierung zeigt sich bisher zuversichtlich, die Ausbreitung in den Griff zu bekommen. In den betroffenen Gebieten wurden die Testkapazitäten deutlich erhöht. Zudem dürfen sich dort alle über 18-Jährigen impfen lassen, mobile Impfzentren sind im Einsatz. Landesweit sind eigentlich erst Menschen ab 34 Jahren berechtigt, eine Dosis zu erhalten.
In Bolton und Blackburn wurde zuletzt ein leichter Anstieg von Corona-Patienten in Kliniken gemeldet. Gesundheitsminister Matt Hancock betonte jedoch, der Grossteil sei noch nicht gegen Corona geimpft gewesen, obwohl die Betroffenen berechtigt gewesen seien. Die Impfungen schützten also auch gegen die Variante, zeigten sich Regierungsvertreter überzeugt.
Täglich mehrere Direktflüge
Für scharfe Kritik an Premierminister Boris Johnson sorgte, dass die Regierung Indien erst nach Wochen zum Risikogebiet erklärt und auf eine «rote Liste» für Reisen gesetzt hatte. Wer aus solchen «roten» Ländern zurückkehrt, muss direkt nach Ankunft auf eigene Kosten für zehn Tage in ein Hotel zur Quarantäne einchecken. Johnson habe einen für Ende April in Indien geplanten, aber letztlich doch noch abgesagten Besuch, bei dem er über ein Freihandelsabkommen sprechen wollte, nicht riskieren wollen. Deshalb sei das südasiatische Land erst Wochen nach seinen Nachbarstaaten Bangladesch und Pakistan auf die «rote Liste» gesetzt worden.
Medien berichteten, dass trotz der Einstufung noch täglich mehrere Direktflüge aus Indien in Grossbritannien landen. Aus anderen «roten» Staaten wie Brasilien oder Südafrika sind Direktflüge verboten. Die Regierung verteidigte sich, es handele sich bei den Einreisenden nur um Briten und Iren oder Menschen mit Wohnsitz in Grossbritannien. Bei Direkteinreisen sei die Überwachung der Hotel-Quarantäne sicherer. Allerdings wiesen Medien darauf hin, dass Reisende aus Indien stundenlang und ohne Abstand im Flughafen neben Ankommenden aus anderen, sichereren Ländern an der Passkontrolle warteten. (SDA/bra)