Was trieb Habte A. (41) zur Wahnsinnstat?
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Gleiskiller vor Gericht:Was trieb Habte A. (41) zur Wahnsinnstat?

Der Wädenswiler stiess ein Kind (†8) vor den Zug – jetzt startet der Prozess
Was trieb Habte A. (41) zur Wahnsinnstat?

Der Fall sorgte im vergangenen Sommer für Schlagzeilen und Diskussionen: Ein VBZ-Mitarbeiter aus Zürich, der Eritreer Habte A. (41), stiess im Hauptbahnhof Frankfurt ein Kind vor einen einfahrenden Zug. Jetzt wird der Fall vor Gericht verhandelt.
Publiziert: 18.08.2020 um 23:18 Uhr
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Aktualisiert: 19.08.2020 um 16:49 Uhr
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Habte A. wird in den Gerichtssaal des Frankfurter Landgerichts gebracht.
Foto: keystone-sda.ch
Michael Sahli, Frankfurt (D)

Habte A.* (41) aus Wädenswil ZH wurde vom Musterbeispiel für gelungene Integration zum Kindsmörder. Am 29. Juli 2019 wirft der Eritreer im Hauptbahnhof Frankfurt (D) eine Mutter (41) und ihr Kind (†8) vor einen einfahrenden Zug. Der Bub wird überrollt, stirbt noch an Ort und Stelle. Ab heute steht A. vor dem Landgericht Frankfurt am Main. Auslöser der Wahnsinnstat dürfte eine psychische Erkrankung gewesen sein.

Schon vier Tage vor der Attacke drehte der Mitarbeiter der Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) durch. Mit einem Messer geht er auf eine Nachbarin los, sperrt seine Ehefrau und die drei gemeinsamen Kinder (damals 1, 3 und 4 Jahre alt) in der Wohnung ein. Als die Polizei eintrifft, ist Habte A. verschwunden und wird zur Verhaftung ausgeschrieben. Der Eritreer schafft es trotzdem, über Basel nach Frankfurt zu fliehen.

Tat sorgte für diplomatische Spannungen

Bilder von Überwachungskameras zeigen ihn an jenem Montagmorgen auf Gleis 7. Er versteckt sich hinter einer Säule. Als würde er sich gezielt ein Opfer aussuchen. Dann schmeisst er Mutter und Kind vor einen ICE. Die Mutter kann sich in den Zwischenraum zum Nachbargleis rollen. Zeit, ihren Sohn zu retten, hat sie nicht. Das achtjährige Kind ist sofort tot. Danach greift Habte A. eine Rentnerin (78) an, die verletzt wird.

Die unfassbare Tat löste Reaktionen bis in die Politik aus. Innenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte an, an der Grenze zur Schweiz wieder Kontrollen einzuführen. Vor der Bahnhofshalle kam es zu Scharmützeln zwischen Linken und Rechten. Tausende Menschen legten Blumen und Plüschtiere am Tatort ab. Der Boden am Gleis glich einem Blumenmeer. Blanker Hass entlud sich an der Familie des Killers, die in sozialen Netzwerken Morddrohungen und Beschimpfungen bekam.

Als Bauschlosser bei den VBZ angestellt

Bis zur Tat auf dem Perron verlief das Leben des Eritreers Habte A. eigentlich in geordneten Bahnen. Nachdem er 2006 von Eritrea in die Schweiz gekommen war, integrierte er sich schnell. 2011 bekommt er eine Niederlassungsbewilligung, engagiert sich mit seiner Frau in der christlich-orthodoxen Kirche. Sechs Jahre arbeitete als Bauschlosser, seit 2017 war er bei den VBZ angestellt.

Laetitia Hardegger, die damals mit Habte A. ein Interview für das Schweizerische Arbeiterhilfswerk führte, erinnert sich: «Er wirkte sehr nett und glücklich. Als ich davon erfahren habe, war ich geschockt.» Im Bericht sagte A. damals über seine neue Heimat: «Mir gefällt, dass hier jeder Hilfe bekommt, egal ob er arm oder reich ist. Und jeder kann essen, und die Existenz ist gesichert.» Im Januar 2019 wird er wegen psychischen Problemen krankgeschrieben.

Familie ist bis heute am Boden

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft wirft Habte A. unter anderem Totschlag und versuchten Totschlag vor. Das Gericht sagt, die Tat könne auch als Mord bewertet werden. Der Eritreer gilt als psychisch krank und damit schuldunfähig – etwas, das die Opferfamilie vom Gericht genau geklärt haben will. Er soll laut Staatsanwalt dauerhaft in eine psychiatrische Einrichtung.

Die Opferfamilie wandte sich Ende Juli über ihren Anwalt an die Öffentlichkeit: «Seit dem tragischen Verlust unseres kleinen Sohns und Bruders geht es uns nicht gut, in den vergangenen Monaten stand einzig die Erinnerung und Trauer um unseren kleinen Sohn im Vordergrund.» Die Verhandlung ist auf sechs Tage angesetzt.

* Name der Redaktion bekannt

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