Der neue Präsident Sri Lankas nimmt die Schweiz ins Visier
Rajapaksa auf Rachefeldzug

Hinter dem Fall der entführten Angestellten der Schweizer Botschaft in Sri Lanka spielt sich ein riesiger Polit-Krimi ab. Es geht um Ermittlungen gegen die Präsidenten-Familie wegen Korruption und Kriegsverbrechen.
Publiziert: 03.12.2019 um 23:17 Uhr
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Nishantha Silva hatte in Sri Lanka gegen die Präsidentenfamilie ermittelt. Nun beantragt er in der Schweiz Asyl.
Foto: zvg
Guido Felder

Entführung einer Angestellten der Schweizer Botschaft, Lügen-Vorwürfe der sri-lankischen Regierung gegen die Schweiz, Standpauke für den Botschafter in Bern: Die Schweiz und der Inselstaat Sri Lanka liegen sich in den Haaren. Was führte zum Polit-Streit?

Der Grund liegt in der Flucht eines sri-lankischen Top-Ermittlers mit seiner Familie in die Schweiz. Nishantha Silva, der für das Criminal Investigations Department arbeitete, türmte, nachdem Gotabaya Rajapaksa (70) am 16. November zum neuen Staatspräsidenten gewählt worden war – und ausgerechnet seinen Bruder Mahinda (74) in diesem Amt abgelöst hatte. Mahinda hat inzwischen das Amt des Premierministers übernommen.

Mord an Journalist

Nishantha Silva ermittelte hartnäckig gegen die Rajapaksa-Familie. Gotabaya Rajapaksa wird mit dem Mord am Journalisten Lasantha Wickrematunge (†50) in Verbindung gebracht. Der Reporter hatte in seiner Zeitung «The Sunday Leader» unter anderem über den Kauf von MiG-27-Kampfjets recherchiert, bei dem sich Rajapaksa bereichert haben soll.

Foto: © BLICK Grafik

Kurz bevor der Journalist 2009 vor Gericht hätte aussagen sollen, wurde er in Colombo von Unbekannten erschossen. Er schien den Anschlag geahnt zu haben: In einer posthum veröffentlichten Kolumne hatte er geschrieben, dass er mit seiner Beseitigung durch die Regierung rechne.

Gefährdete Ermittler plötzlich ohne Schutz

Ermittler Nishantha Silva untersuchte weitere heikle Fälle, die in Zusammenhang mit der Familie Rajapaksa stehen sollen. Gotabaya Rajapaksa, der von 2005 bis 2015 Verteidigungsminister war, wurden Kriegsverbrechen gegen Tamilen, Folter und die Ermordung von missliebigen Journalisten vorgeworfen. Er bestreitet diese Vorwürfe.

Nach den Wahlen am 16. November hat der neue Präsident Gotabaya Rajapaksa den Polizeischutz von gefährdeten Ermittlern wie Nishantha Silva aufgehoben. Rund 700 Personen wurde die Ausreise verboten. Als Silva die Flucht trotzdem gelang, wurde am
25. November eine lokale Angestellte der Schweizer Botschaft zwei Stunden lang entführt.

Handy der Botschafts-Mitarbeiterin untersucht

Laut neuesten Meldungen hielten ihr Unbekannte eine Waffe unter die Nase und zwangen sie, in einen weissen Lieferwagen zu steigen, wo ihr das Handy abgenommen und ihre Anrufe überprüft wurden. Laut EDA ist sie aus «medizinischen Gründen» noch immer nicht in der Lage auszusagen. Weil sie offenbar das Land verlassen will, wurde sie nun mit einem Ausreiseverbot belegt.

Das sri-lankische Aussenministerium bezichtigt die Schweizer Botschaft auf seiner Homepage indirekt der Lüge. Gemäss eigener Auswertung von Überwachungsmitteln habe die Angestellte nicht den von den Schweizern beschriebenen Weg eingeschlagen.

Scharfe Worte der Schweizer Staatssekretärin

Das Schweizer Aussendepartement zitierte am Montag den für die Schweiz zuständigen sri-lankischen Botschafter in Berlin, Karunasena Hettiarachchi, nach Bern. Staatssekretärin Pascale Baeriswyl (51) forderte von ihm «eine rasche und lückenlose Aufklärung der Hintergründe» der Entführung sowie eine Erklärung zum Vorwurf gegenüber der Schweizer Botschaft in Colombo.

Nach mehreren Protestnoten des EDA ist diese Standpauke an den sri-lankischen Botschafter der vorläufige Höhepunkt in der Krise zwischen den beiden Staaten.

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