In Europa herrscht Angst. Vertreter mehrerer Staaten warnen davor, dass der russische Präsident Wladimir Putin (71) nach der Ukraine weitere Staaten angreifen könnte. Das will die Nato als westliches Militärbündnis verhindern.
An dessen Spitze kommt es bald zu einem Wechsel. Nach zehn Jahren gibt der Norweger Jens Stoltenberg (65) sein Amt als Nato-Generalsekretär auf den 1. Oktober ab. Als Nachfolger gesetzt ist der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte (57) von der konservativ-liberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD). Rutte gilt als höchst umgänglicher Typ. Mit der Schweiz hat er in einem Punkt aber seine liebe Mühe.
Der Putin-Bremser
In Zeiten der weltweiten Spannungen will Mark Rutte die Nato noch fitter machen und den Zusammenhalt unter den Bündnispartnern stärken. Ganz oben steht die Verteidigung gegen einen allfälligen Angriff Russlands auf eines der Nato-Länder.
Als Niederländer hat er selbst schon Erfahrungen mit der Aggressivität des Kremls gemacht: Beim Abschuss des Flugs MH17 der Malaysia Airlines durch eine russische Rakete im Jahr 2014 wurden 173 Niederländer getötet. Rutte trieb die Untersuchungen voran und sorgte dafür, dass drei Verantwortliche – allerdings in deren Abwesenheit – verurteilt wurden.
Eine weitere Herausforderung dürfte der Umgang mit Donald Trump (78) sein, falls er wieder zum US-Präsidenten gewählt würde. In früherer Zeit fand Rutte dank seiner unbeschwerten Art allerdings einen guten Zugang zu Trump, wurde sogar schon als «Trump-Flüsterer» bezeichnet.
Der Bodenständige
Nato-Chef oder Lehrer? Als im Sommer 2023 Ruttes Mitte-Rechts-Koalition geplatzt war, kündigte er an, in Vollzeit als Lehrer arbeiten zu wollen. Diesen Job, den er als Ministerpräsident regelmässig im Nebenamt ausübt, möchte der Historiker auch als Nato-Chef behalten und wöchentlich einmal Staatskunde unterrichten.
Auch sonst gilt Rutte als volksnah und menschlich. Am liebsten fährt er mit dem Velo zur Arbeit – oder vielleicht mal mit seinem alten Saab. Und Personen, die nicht wissen, wie sie ihn begrüssen sollen, streckt er die Hand hin und sagt: «Hallo, ich bin der Mark.»
Der Schweiz-Kritiker
Als sich der Bundesrat weigerte, 96 Kampfpanzer des Typs Leopard 1 A5 an die deutsche Herstellerfirma Rheinmetall zurückzugeben, um sie über diesen Umweg in die Ukraine zu liefern, wurde Rutte hässig. «Ehrlich, ich war echt enttäuscht, und ich finde es schwierig, zu verstehen», sagte er anschliessend. Die Niederlande wären bereit gewesen, die Instandstellung der in Italien eingelagerten Panzer zu bezahlen.
Als Folge machten die Niederlande Druck. Sie wollen selbst keine Schweizer Waffen und Munition mehr kaufen und fordern andere europäische Staaten auf, den Druck auf Bern ebenfalls zu erhöhen.
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Der Zögerer
Im Kampf gegen Covid machte Rutte keine gute Falle. Weil die Regierung zu lange nur auf den Impfstoff von Astrazeneca gesetzt hatte, konnten die Niederlande – als letztes europäisches Land – erst über zwei Wochen später mit dem Impfen beginnen. Das hagelte Kritik. Rechtspopulist Geert Wilders (60) bezeichnete die Politik als «Chaos». Rutte musste vor dem Parlament Fehler zugeben.
Der Gescheiterte
Fast 14 Jahre lang amtet Rutte schon als Ministerpräsident der Niederlande, seit den verlorenen Wahlen im November 2023 nur noch geschäftsführend, bis eine neue rechtsgerichtete Regierung gebildet ist. Seine Wahlschlappe basiert auf einem Streit über Familienzusammenführungen im Asylbereich, bei denen er eine Obergrenze gefordert hatte. Schon 2021 war seine Koalition wegen der Kindergeld-Affäre geplatzt, bei der Tausende Familien fälschlicherweise Kindergeld zurückzahlen mussten.
Der Geheimnisvolle
Das Privatleben des Protestanten ist tabu. So viel weiss man: Er lebt allein, spielt gern Klavier, fährt Ski, liest Thomas Mann, hatte lange keinen privaten Computer und telefoniert auf einem alten Handy. Er hatte eine enge Beziehung zu seiner Mutter, die vor vier Jahren im Alter von 96 Jahren in einem Pflegeheim starb.
Der Koordinator
Welches sind überhaupt seine Aufgaben? Der Nato-Generalsekretär ist der höchste Vertreter des Bündnisses und steht in Kontakt mit den Mitgliedsstaaten. Er ist selbst nicht für das Militär zuständig. Diese Aufgabe hat der oberste Nato-Befehlshaber, die zurzeit in den Händen des Amerikaners Christopher G. Cavoli (60) liegt. Der Nato-Generalsekretär wird immer von den europäischen Nato-Mitgliedern entsandt, der Nato-Befehlshaber von den USA.