Der Aargauer Roger U. wird in Brasilien als Prügler gesucht. Sein Opfer, Ex-Freundin Ana Julia, zu BLICK:
«Er soll nicht lügen – ich habe Zeugen!»

Roger U. soll seine brasilianische Ex-Freundin in den Rollstuhl geprügelt haben. Als BLICK den in Brasilien gesuchten Zofinger fand, stritt er alles ab. Ihre Antwort: «Das ist ein schlechter Witz.»
Publiziert: 27.06.2017 um 23:56 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 18:14 Uhr
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Ana Julia de Sousa sitzt im Rollstuhl. Weil ihr Aargauer Ex-Freund sie misshandelte?
Foto: zVg
Konrad Staehelin

«Ich kann dich nicht suchen, weil ich an den Rollstuhl gefesselt bin», drohte Ana Julia de Sousa Rebelo (44) ihrem Ex-Freund Roger U. (54) vorgestern im BLICK. «Aber Gott wird dich finden.»

Ihr Vorwurf: U. habe sie im brasilianischen Touristenort Canoa Quebrada im Suff verprügelt und aus dem Fenster geworfen. De Sousa ist seitdem querschnittsgelähmt. Letztes Jahr landete U. darum auf der Interpol-Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher Brasiliens.

«Sie hat alles erfunden»

Doch BLICK hat Roger U. gefunden. Er wohnt in Zofingen AG in einem Häuschen auf dem Parkplatz vor dem Haus seines Vaters. In Tränen aufgelöst beteuerte dieser, er habe nichts von den Vorwürfen gegen seinen Sohn gewusst.

Roger U. verteidigt sich: «Meine Ex hat alles erfunden. Zum Zeitpunkt der Tat waren wir nicht am gleichen Ort.» Vermutlich hätten irgendwelche Gangster de Sousa verprügelt.

Als BLICK Ana Julia mit der Version des Aargauers konfrontiert, reagiert die 44-Jährige bestürzt: «Mir fehlen die Worte, das ist ein schlechter Witz. Warum sollte ich Anzeige bei der Polizei erstatten, wenn die Tat nicht so stattgefunden hätte? Warum würde ich mich jetzt für Gerechtigkeit engagieren?»

Sie meint, das Motiv für die Aussagen von U. zu kennen: «Gäbe er jetzt schon alles zu, hätte er noch weniger Chancen vor Gericht.»

«Er soll nicht lügen»

Doch für de Sousa ist klar: «Viele Leute im Städtchen erinnern sich daran, dass er Alkoholiker war. Sie sahen die Verletzungen und die Narben, die er mir zufügte. Und mehrere Leute haben ihn gehört, wie er mir wiederholt mit dem Tod drohte. Er soll aufhören, Lügen zu erzählen. Ich habe Zeugen!»

Nur: Es ist alles andere als klar, ob U. jemals vor Gericht kommt (siehe Box). De Sousa: «Das wäre ein Skandal und würde mich noch trauriger machen, als ich schon bin. Ich bin überzeugt, dass Gott für Gerechtigkeit sorgen wird.»

«Sein Vater wusste es von Anfang an»

Zudem vertraue sie der Schweiz und ihrem Rechtssystem. «Die Schweiz ist meine zweite Heimat. Ich habe, bevor ich Roger kennenlernte, ein halbes Jahr in Genf gearbeitet. Meine beste Freundin wohnt immer noch dort. Ich liebe die Schweiz und die Leute, die dort wohnen. Sie sind die korrektesten, die ich kenne.» 

Mit zwei Ausnahmen: ihr Ex-Freund Roger U. und dessen Vater. «Er wusste von Anfang an genau, was vorgefallen war. Während Rogers Mutter mich finanziell unterstützen wollte, damit ich trotz meiner Behinderung über die Runden komme, hat sich der Vater dagegen gewehrt.»

Darum läuft Roger U. frei herum

Bern – Wenn Schweizer im Ausland straffällig werden, können sie auch in der Heimat belangt werden. In ­einem ersten Schritt stellen die ausländischen Behörden ein Gesuch auf stellvertretende Strafverfolgung ans Bundesamt für Justiz (BJ), damit die Schweiz den Fall übernimmt. Alleine der ­Eintrag auf der Interpol-Fahndungsliste heisst nicht, dass die Schweiz aktiv werden muss. Es scheint, als hätten die Brasilianer es also schlicht versäumt, die Schweiz zu beauftragen. Und: Die doppelte Strafbarkeit muss gegeben sein, die Tat also auch in der Schweiz illegal sein. Andernfalls schmettert die Schweiz das Gesuch ab – was nicht heisst, dass der ausländische Staat den Eintrag auf der Interpol-Liste löschen muss. Gibt das BJ dem ausländischen Gesuch statt, wird der Fall vor einem Schweizer Gericht verhandelt. Das BJ war gestern nicht in der Lage, das genaue Prozedere darzustellen.

Bern – Wenn Schweizer im Ausland straffällig werden, können sie auch in der Heimat belangt werden. In ­einem ersten Schritt stellen die ausländischen Behörden ein Gesuch auf stellvertretende Strafverfolgung ans Bundesamt für Justiz (BJ), damit die Schweiz den Fall übernimmt. Alleine der ­Eintrag auf der Interpol-Fahndungsliste heisst nicht, dass die Schweiz aktiv werden muss. Es scheint, als hätten die Brasilianer es also schlicht versäumt, die Schweiz zu beauftragen. Und: Die doppelte Strafbarkeit muss gegeben sein, die Tat also auch in der Schweiz illegal sein. Andernfalls schmettert die Schweiz das Gesuch ab – was nicht heisst, dass der ausländische Staat den Eintrag auf der Interpol-Liste löschen muss. Gibt das BJ dem ausländischen Gesuch statt, wird der Fall vor einem Schweizer Gericht verhandelt. Das BJ war gestern nicht in der Lage, das genaue Prozedere darzustellen.

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