Der Bauarbeiter Roger U.* (54) aus Zofingen AG steht auf der Interpol-Liste der zehn meistgesuchten Kriminellen Brasiliens. Er verprügelte seine Ex-Freundin Ana Julia de Sousa (44) mit einem Holzstuhl und warf sie im ersten Stock nackt aus dem Fenster. Sie brach sich zwei Brustwirbel und sitzt seither im Rollstuhl. Zudem ist sie auf einem Ohr taub.
Das Drama ereignete sich vor 13 Jahren. Lange wusste die Öffentlichkeit nichts davon – bis Interpol die Verbrecherliste veröffentlichte.
«Unsterblich verliebt»
BLICK ist es gelungen, Ana Julia de Sousa per Telefon in Brasilien zu erreichen. Sie lebt immer noch in Canoa Quebrada, einem Strandparadies im Nordosten des Landes.
«Wir waren das Traumpaar des Städtchens», blickt sie zurück. Um ihre drei Kinder aus früheren Beziehungen habe er sich wie ein Vater gekümmert. «Ich war unsterblich in ihn verliebt.»
Zusammen führen sie erfolgreich ein Strandrestaurant und bauen ein Wohnhaus. «Alles war perfekt. Doch dann begann er zu trinken. Bis elf Uhr morgens arbeitete er, dann machte er das erste Bier auf. Fünf Stunden später war er besoffen. Wir stritten ständig, oft verprügelte er mich.» Darum trennt sich de Sousa im März 2004 von U.
Doch er kann das nicht akzeptieren und schlägt zu: «Er war komplett besoffen und wollte mich vergewaltigen. Als ich mich wehrte, drehte er durch.» Nach der Attacke mit dem Stuhl und dem Sturz aus dem Fenster kommt sie erst im Spital wieder zu sich. Und erhält die Diagnose: Rollstuhl fürs Leben.
Deal hält nur zwei Jahre
Noch im Spital macht sie mit Roger U. einen Deal: Er bezahlt ihr alle medizinischen Kosten und die Ausbildung der Kinder. Dafür zeigt sie ihn nicht an und behauptet, alles sei ein Unfall gewesen.
Zwei Jahre lang geht das gut. Doch dann taucht U. unter. «Er flog zurück in die Schweiz. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört», sagt de Sousa.
«Ich habe keinen Rappen mehr gesehen. Darum habe ich ihn angezeigt.» Seither hält sie sich mit dem Verkauf von Kunsthandwerk über Wasser. «Aber das Schulgeld für meine Kinder kann ich mir nicht mehr leisten. Jetzt müssen sie wieder eine schlechte öffentliche Schule besuchen.»
«Ich will Gerechtigkeit»
Was würde sie U. sagen, wenn er vor ihr stünde? «Dass ich sehr enttäuscht bin. ‹Du hast mein Leben zerstört, Roger. Ich kann dich nicht suchen, weil ich an den Rollstuhl gefesselt bin. Aber Gott wird dich finden. Ich will Gerechtigkeit.›»
Ob ihr Wunsch in Erfüllung geht, ist allerdings ungewiss. Das Bundesamt für Justiz schreibt: «Um in diesem Fall eine Lücke in der Strafverfolgung zu vermeiden, hätten die brasilianischen Behörden die Möglichkeit, die Schweiz um stellvertretende Strafverfolgung zu ersuchen.» Mit anderen Worten: Solange die Brasilianer nicht aktiv werden, hat U. nichts zu befürchten. Die brasilianische Polizei hat auf ein Schreiben von BLICK nicht reagiert.
*Name der Redaktion bekannt