Delegation will Mord an Jan Kuciak untersuchen
«Journalist ist ein gefährlicher Job – und zwar in der EU»

Eine Eil-Delegation der EU reist in die Slowakei. Sie will die Morde an dem Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnirova untersuchen. Premier Fico muss sich auf kritische Fragen einstellen. Tim Röhn von der deutschen Tageszeitung «Welt» sprach mit Delegationsmitglied Benedek Javor.
Publiziert: 08.03.2018 um 17:30 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 22:35 Uhr
Will keine Interviews: der slowakische Premierminister Robert Fico.
Foto: JAKUB GAVLAK
Tim Röhn

Es gibt zahlreiche Themen, über die man in diesen Tagen gerne mit Robert Fico, dem Premierminister der Slowakei, sprechen würde. Die Ermordung des Reporters Jan Kuciak und seiner Verlobten natürlich, die Korruptionsvorwürfe gegen seine Regierung, die Wut des slowakischen Volks. Aber sein Büro lehnte bislang sämtliche Interviewfragen ab, auch die von «Welt».

Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova waren am 25. Februar erschossen in ihrem Haus in Velka Maca aufgefunden worden. (Blick berichtete) Kuciaks letzte Recherche drehte sich um mögliche Verbindungen der kalabrischen Mafia ’Ndrangheta zur slowakischen Politik. Der Reporter des Online-Portals «Aktuality.sk» hatte herausgefunden, dass eine enge Beraterin des slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, Maria Troskova, und der Chef des nationalen slowakischen Sicherheitsrates, Viliam Jasan, Verbindungen zu einem dubiosen kalabrischen Geschäftsmann namens Antonino Vadala unterhielten.

«Das ist eine sehr ernste Angelegenheit»

Mitglied der EU-Delegation: der ungarische Politiker Benedek Javor.
Foto: europarl.europa.eu

Doch kritischen Fragen versucht der Ministerpräsident offenbar konsequent aus dem Weg zu gehen, aber das wird ab heute Donnerstag nicht mehr funktionieren. Dann trifft eine achtköpfige Delegation des Europa-Parlaments in Bratislava ein, um Informationen über die Umstände der Ermordung Kuciaks sowie seiner Verlobten zusammenzutragen. Gleich am Vormittag steht ein Treffen mit Fico auf dem Programm. Dass die Parlamentarier nicht in die Slowakei reisen, um Fico Rückendeckung zu geben, wurde schon im Vorfeld des Trips deutlich. «Dieses Verbrechen hat den Fokus auf eine ganze Reihe von ernsten Fragen, die die Slowakei betreffen, gelegt», sagte Delegationsmitglied Benedek Javor, ein ungarischer Politiker der Grünen, zu «Welt». Vor allem der mögliche Missbrauch von EU-Subventionen in dem Land bereite ihm Sorgen, so Javor. In seiner letzten Recherche war Kuciak auch dem Vorwurf nachgegangen, wonach EU-Gelder für kriminelle Zwecke verwendet wurden. «Wie kann es sein, dass ein 27 Jahre alter Journalist untersuchen muss, ob Gelder zweckentfremdet wurden, während die Polizei diesbezüglich überhaupt nichts entdeckt? Das ist eine sehr ernste Angelegenheit», sagte Javor, der mit seinen Kollegen in Bratislava neben dem Polizeichef und Ministern auch regierungskritische Journalisten treffen wird.

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Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova wurden in ihrem Haus erschossen. Jan arbeitete für aktuality.sk, das zu Ringier Axel Springer Slowakei gehört und damit zum Ringier-Konzern, der auch den BLICK herausgibt.
Foto: Facebook

Als Reaktion auf die Ermordung der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia im Oktober vergangenen Jahres hatte das EU-Parlament damals ebenfalls eine sogenannte Eil-Delegation nach Malta entsandt. Diese hatte die Regierung in Valetta im Anschluss harsch kritisiert und unter anderem die Unabhängig der Justiz und Polizei  sowie Pressefreiheit angezweifelt. Forderungen nach Reformen wurden von Premierminister Joseph Muscat und seiner Regierung bislang ignoriert.

«Etwas muss passieren»

«Innerhalb kürzester Zeit hat es diese zwei schockierenden Morde gegeben», sagte Javor. «Das zeigt ganz deutlich, dass Investigativjournalist mittlerweile ein gefährlicher Job ist – und zwar innerhalb der Europäischen Union. Diese Verhältnisse kannten wir aus Russland und anderen Staaten, aber nicht hier.» Journalisten, so Javor, bräuchten angemessenen juristischen Schutz: «Wenn wir wollen, dass die unabhängige Presse überlebt, muss etwas passieren.»

Nach den Morden an Kuciak und Kusnirova nahm die Polizei mehrere Personen fest, liess sie aber wenig später wieder frei. Wer hinter der Tat steckt, versucht die Polizei mittlerweile in Zusammenarbeit mit internationalen Experten von FBI, Scotland Yard und Europol zu ermitteln. Zehntausende Menschen gingen nach den Morden in der Slowakei auf die Strasse, um den Toten zu gedenken und Aufklärung zu fordern. Ausserdem protestierten sie gegen die Regierung. Staatspräsident Andrej Kiska sprach bereits über notwendige politische Konsequenzen. Premier Fico lehnt das bisher kategorisch ab.

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