Das Tauchboot «Titan» stach am Sonntagmorgen in See. Sein Ziel: das Schiffswrack der 1912 gesunkenen Titanic. Doch kurz vor dem Ziel riss die Verbindung zwischen dem Transportschiff und dem U-Boot ab. Seither läuft eine verzweifelte Suchaktion nach dem U-Boot und seinen fünf Insassen. Die Luft wird mit jeder verstreichenden Minute dünner.
Dem Titan droht nun das gleiche Schicksal wie der Titanic. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Doch: Eine Rettung in 4000 Metern Tiefe ist quasi unmöglich.
Blick erklärt, was du wissen musst.
Was ist passiert?
Am Sonntagmorgen begann das U-Boot den Abstieg zum Wrack. Begleitet wurde es vom Schiff «Polar Prince», das ständig mit dem Tauchboot in Kontakt blieb. Eigentlich dauert der Abstieg etwa zwei Stunden, doch nach einer Stunde und 45 Minuten verlor das Begleitschiff das Signal.
Wie die britische «Daily Mail» berichtet, informierte die U-Boot-Firma Ocean Gate erst acht Stunden nach dem letzten Kontakt zu den Insassen über das Verschwinden des Bootes. Das Schiff sei um 8 Uhr Ortszeit abgetaucht, ab 9.45 Uhr gab es demnach keinen Kontakt mehr zum Mutterschiff «Polar Prince» mehr.
Erst um 17.40 Uhr wurde die Küstenwache über das Verschwinden in Kenntnis gesetzt. Die kanadische Küstenwache wurde sogar erst um 21.13 Uhr informiert.
Was für ein U-Boot ist der Titan?
Es hat Platz für fünf Personen und kann 4000 Meter tief tauchen. Perfekt für eine Expedition zur gesunkenen Titanic – die liegt in einer Tiefe von 3800 Metern. Ocean Gate verspricht den Teilnehmern eine «einzigartige Reiseerfahrung» – zu einem stolzen Preis von 250'000 Dollar pro Person.
Laut Plan hätten die Touristen das Wrack der Titanic mit dem kleinen U-Boot erkunden und dann wieder auftauchen sollen. Dass die Verbindung abbrechen und nicht wieder hergestellt werden könnte, damit rechnete niemand. Hatte die Besatzung die Tour ohne Kontakt fortgesetzt, oder abgebrochen? Es ist nicht ausgeschlossen, dass das U-Boot auf die Meeresoberfläche auftauchen konnte.
Wer befindet sich an Bord?
Laut Informationen von Familienangehörigen haben sich fünf Menschen an Bord des Titan befunden. Unter ihnen der britische Geschäftsmann Hamish Harding (58). Der Milliardär gehört zu den ersten Menschen, die den tiefsten bekannten Punkt der Erde, den Challenger Deep im Pazifik, bereist haben.
Wie Harding mitteilte, begleitete ihn der Taucher Paul-Henri Nargeolet (63) auf seinem Abenteuer. Nargeleot hat bereits mehrere Expeditionen zur Titanic geleitet. Ausserdem an Bord waren Shahzada Dawood (48) und sein Sohn Sulaiman (19). Dawood ist ebenfalls Geschäftsmann und gehört zu den reichsten Menschen Pakistans.
Das letzte Crew-Mitglied ist Stockton Rush (61), der Besitzer von Ocean Gate. Im vergangenen Jahr sagte er in einem Interview, dass eine Reise zum Wrack der Titanic mit dem U-Boot natürlich gewisse Risiken berge, über die alle Besatzungsmitglieder informiert werden. «Ab einem gewissen Punkt ist Sicherheit einfach nur noch Verschwendung», so Rush.
Wie viel Zeit bleibt für die Rettung?
Der Sauerstoff im U-Boot reicht bis 96 Stunden. Den Rettungskräften bleibt bis Donnerstagmittag Zeit, das Schiff zu finden und zu bergen. Doch die Rettung in einer derartigen Tiefe ist nahezu unmöglich. Wenn die Akkus ausfallen, wird es im Inneren der Titan eiskalt. Den Vermissten droht ein Erfrierungstod.
Andere Experten sehen es jedoch als wahrscheinlich, dass die «Titan» Leck geschlagen und die Passagiere längst tot sind.
Warum ist die Rettung schwierig?
Es gibt mehrere Probleme bei der Rettung des Titan, schreibt die «New York Times». Zunächst muss das U-Boot gefunden werden. Ohne Funk ist das nahezu unmöglich. Sollte es dennoch lokalisiert werden, folgt bereits die nächste Herausforderung. In der Tiefe sind die Möglichkeiten einer Rettung begrenzt.
Taucher können aufgrund des Meeresdrucks nur ein paar hundert Meter in die Tiefe vordringen. Ausserdem herrscht auf dem Meeresgrund absolute Dunkelheit. Ein weiteres U-Boot zu schicken, nützt nichts. Schliesslich müsste der Titan nach oben transportiert werden können.
Ein unbemanntes Fahrzeug, wie es die amerikanische Marine besitzt, könnte essenziell für die Rettung sein. Dieses muss erst einmal nach Neufundland gebracht werden – das kostet Zeit. Zeit, die den Vermissten und den Rettungskräften fehlt. Der Meeresforscher David Mearns sagte der BBC, mittlerweile sei ein kommerzielles Rohrverlegungsschiff in der Gegend angekommen.
Das Schiff sei sehr leistungsfähig und es bestehe die Hoffnung, dass es die Fähigkeit habe, die nötige Tiefe zu erreichen, um nach dem Tauchboot zu suchen. Zwar bleibt noch etwas Zeit, um das U-Boot zu finden und zu bergen, doch Experten sehen die Lage eher pessimistisch. Am Mittwochmorgen wurden zudem acht weitere Schiffe losgeschickt, welche die Suche nach dem vermissten Tauchboot unterstützen.
Zudem hat die US-Marine ein Gerät zur Bergung des Tauchboots, wenn es sich auf dem Meeresboden befindet, in die Region geschickt. Das Tiefsee-Bergungssystem mit dem Kürzel «Fadoss» ist in der Nacht zum Mittwoch (Ortszeit) in der kanadischen Stadt St. Johns in Neufundland ankommen. Wann es das Suchgebiet Hunderte Kilometer weiter südlich erreichen könnte, ist noch unklar. Auch ein kanadisches Flugzeug ist im Einsatz, um nach dem vermissten Tauchboot zu suchen.
Was könnte an Bord passiert sein?
Dazu gibt es verschiedene Theorien. Eric Fusil unterrichtet Elektrotechnik an der Universität von Adelaide und kennt sich mit U-Booten aus. Zu CNN sagt er, dass der Kommunikationsabbruch auf einen Stromausfall zurückzuführen sein könnte. Ob der Titan über eine «Notstromquelle» verfügte, ist noch unklar. Es könnte zu einem Brand oder zu einer Überschwemmung gekommen sein, meint er.
Oder aber das U-Boot ist in den Trümmern der Titanic hängengeblieben und kann sich nicht mehr befreien. Auch ist es möglich, dass etwas mit dem Ballastsystem, das das Auf- und Absteigen ermöglicht, nicht funktionierte und das U-Boot nicht mehr auftauchen kann.
Der Reporter David Pogue vom US-Sender CBS, der die Fahrt im vergangenen Jahr mitgemacht hatte, sagte der BBC, das Gefährt habe auf ihn einen improvisierten Eindruck gemacht. «Man steuert dieses U-Boot mit einem Xbox-Gamecontroller», sagte Pogue.
Ein Teil des Ballasts bestehe aus Baurohren. Falls das Boot eingeklemmt werde oder Leck schlage, «gibt es kein Backup, keine Rettungskapsel», sagte er. Der ehemalige U-Boot-Offizier Frank Owen sagte der BBC, die grösste Herausforderung für die Eingeschlossenen sei es, ruhig zu bleiben und nicht zu viel Sauerstoff zu verbrauchen.