Seit sieben Wochen ist die langersehnte Gegenoffensive der Ukrainer im Gang. Meter um Meter versuchen sie, sich gegen die russischen Besatzer vorzukämpfen. Laut US-Beamten haben die Ukrainer inzwischen in der Region Saporischschja einen neuen Versuch gestartet, Russlands Einfluss im Süden zu brechen. Das berichtet die «New York Times».
Der Erfolg dieses Versuchs dürfte nach Angaben der Beamten für den weiteren Verlauf des Krieges entscheidend sein: Bei der Gegenoffensive handle es sich um den wichtigsten Vorstoss seit langem. «Das ist der grosse Test», sagte ein hochrangiger Beamter, der anonym bleiben will, zur Zeitung.
Russen sprechen von «massivem» Angriff
Obwohl seit Beginn der Offensive den US-Beamten zufolge nicht alles nach Plan verlief, sei die Hauptstossrichtung der Gegenoffensive jetzt im Südosten des Landes. Tausende von Soldaten strömen in den zermürbenden Kampf. Viele von ihnen seien vom Westen ausgebildet und bisher in Reserve gehalten worden.
Jetzt schlagen die Ukrainer aber zu – und das nicht zu knapp. Igor Konaschenkow (57), der Chefsprecher des russischen Verteidigungsministeriums, berichtet von einem «massiven» Angriff und heftigen Kämpfen südlich von Orichiw. Die Stadt befindet sich etwa 96 Kilometer nördlich des Asowschen Meeres.
Auch Wladimir Rogow, ein von den russischen Besatzern ernannter Beamter in der Südukraine, meldet heftige Kämpfe. Ihm zufolge sind am Angriff ukrainische Truppen beteiligt, die im Ausland ausgebildet wurden. Auch an westlicher Ausrüstung mangle es nicht: Mit etwa 100 gepanzerten Fahrzeugen, darunter Leoparden aus deutscher Produktion und Bradley-Kampffahrzeuge aus amerikanischer Herstellung, seien sie vorgefahren.
Jewgeni Balitzki, ein weiterer russischer Besatzungsbeamter in Saporischschja, berichtet von 36 von den Ukrainern unternommenen Versuchen, Siedlungen in der Region zu beschiessen. Russische Behauptungen, die ukrainischen Angriffe seien abgewehrt worden, konnten bisher nicht überprüft werden.
Ukrainer erzielen keine grösseren Durchbrüche
Obwohl die Ukrainer mit einer massiven Schlagkraft gegen die Russen ausholen, haben sie auch mit Problemen zu kämpfen. Laut ukrainischen Beamten drängen sie die russischen Truppen entlang der südlichen Front zwar stetig zurück, kommen aber nur schrittweise voran und konnten bisher keine grösseren Durchbrüche erzielen.
Grund dafür seien die Minenfelder, der vernichtende russische Artilleriebeschuss und die ständigen Luftangriffe der Russen. Einschüchtern lassen wolle man sich davon aber nicht. Es gelte, durch von Russland gelegte Minenfelder und andere Barrieren in Richtung Süden zur Stadt Tokmak und, wenn möglich, bis ins etwa 40 Kilometer von der Küste entfernte Melitopol vorzudringen.
Ziel ist es, die Landbrücke zwischen der russisch besetzten Ukraine und der von Moskau besetzten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim zu durchtrennen oder zumindest so weit vorzurücken, dass die strategisch wichtige Halbinsel in Reichweite der ukrainischen Artillerie gerät.
Ob die Ukrainer mit ihrer Grossoffensive einen Gewinn verbuchen können, wird sich in ein bis drei Wochen zeigen. So lange dürfte die neue Operation gemäss den ukrainischen Beamten dauern, wenn sie erfolgreich ist. (dzc/SDA)