Seit mehr als einer Woche kann Björn Höcke (45) jeden Tag sein persönliches Holocaust-Denkmal betrachten. Die Künstlergruppe Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) hat sich neben dem deutschen Politiker der Alternative für Deutschland (AfD) eingemietet und ihm einen Nachbau des Mahnmals in Berlin direkt vors Haus gestellt (BLICK berichtete).
Anfangs verlangte das Kollektiv von Höcke, dass er vor dem Mahnmal auf die Knie falle – sonst würde man belastendes Material über den Politiker veröffentlichen. Diese Forderung ist mittlerweile vom Tisch. Philipp Ruch, der künstlerische Leiter des ZPS, sagt zu BLICK: «Nachdem uns Höcke als ‹Nazis› und als ‹terroristische Vereinigung› gelobt hat, wussten wir: Er ist unverbesserlich.» Das Kollektiv hatte Höcke nach eigenen Angaben zehn Monate lang überwacht und Informationen über ihn gesammelt.
In Deutschland hagelt es nicht nur aus den Reihen der AfD Kritik. Der Präsident des Thüringer Regionalparlaments forderte ein sofortiges Ende der Aktion. Auch die jüdische Landesgemeinde Thüringen bemängelt das Projekt: «Gut gemeint, aber schlecht gemacht», sagte der Vorsizende Reinhard Schramm zum MDR. Er befürworte Proteste gegen Höcke, doch dessen Familie und Privatleben solle Tabu bleiben.
Das Vorgehen des ZPS sei fragwürdig, merken Kritiker an. Jemand, der politisch unliebsam sei, werde öffentlich gebrandmarkt. Das erinnere an die Zeit des Nationalsozialismus. Genau so seien die Nazis damals gegen die Juden vorgegangen. Diese Einwände quittierte Ruch mit den Worten: «Gegen Nazis wenden wir nur Nazimethoden an.»
«Er ist der NPD-Funktionär Landolf Ladig»
Die Aktivisten haben ihre Aktion mittlerweile ausgeweitet: Am Eingang von Höckes Wohnort Bornheim haben sie gefälschte Wahlplakate für einen angeblichen NPD-Kandidaten namens Landolf Ladig. Darauf und auf tausenden verteilten Flugblättern prangt das Höckes Gesicht.
Der Hintergrund: Björn Höcke steht im Verdacht, unter dem Namen Landolf Ladig mehrere Artikel in Zeitschriften der rechtsextremen NPD veröffentlicht zu haben. Unter anderem deshalb leitete der AfD-Bundesvorstand im vergangenen Januar ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke ein. Das Landesschiedsgericht Thüringen entscheidet dem «Tagesspiegel» zufolge Anfang 2018 darüber. Da im Gremium mehrere Höcke-Anhänger sitzen, hat dieser der Zeitung zufolge momentan gute Karten.
Dem will das Zentrum für Politische Schönheit offenbar entgegenwirken. Für gerichtlich oder journalistisch verwertbare Beweise, dass Höcke und Ladig dieselbe Person sind, bietet das Kollektiv zwischen 250 und 5000 Euro Belohnung. Ein solcher Beweis würde seinen politischen Gegnern innerhalb der Partei Auftrieb geben – und den Ausgang des Ausschlussverfahrens kippen.
Kandidiert Höcke für die Parteispitze?
Der Zeitpunkt ist kein Zufall: Am kommenden Wochenende wählt die AfD in Hannover einen neuen Bundesvorstand – nachdem die Co-Vorsitzende Frauke Petry die Partei Ende September verlassen hatte. Möglicherweise will Höcke für die Spitzenposition kandidieren. Ruch sagt: «Jedes AfD-Mitglied sollte wissen: Der Mann für den Job ist eigentlich der NPD-Funktionär Landolf Ladig».
Das Mahnmal vor Höckes Haus steht weiterhin da – doch es ist nicht durchgehend der Öffentlichkeit zugänglich. «Aufgrund der Sicherheitslage» wird es am Wochenende geschlossen. Man habe viele Drohungen erhalten.
Wie lange die Aktion noch weitergeht, steht in den Sternen. Medienberichten zufolge will der Besitzer des Grundstücks die Künstler rausschmeissen – tut sich aber offenbar schwer. «Wir haben keine rechtlich valide Kündigung erhalten», sagt Ruch. Ebenfalls soll die Staatsanwaltschaft wegen versuchter Nötigung gegen das Kollektiv ermitteln. Trotzdem gibt sich dieses siegessicher: «Wir sind guter Dinge, dass Höcke demnächst symbolisch in die Knie geht.»