Danke, Katalin Karikó!
Dieser Frau verdanken wir die Corona-Impfung

Früher besass Katalin Karikó nicht mal ein Telefon. Heute ist die Biochemikerin der Grund, warum wir wieder Hoffnung schöpfen dürfen.
Publiziert: 29.12.2020 um 17:24 Uhr
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Aktualisiert: 30.12.2020 um 15:44 Uhr
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Die Frau, die sich was traut(e): Jahrzehntelang forschte Katalin Karikó an der bahnbrechenden Impftechnologie mRNA.
Foto: DUKAS

Der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer ist aus zwei Gründen eine Sensation: Weil noch nie so schnell eine Impfung entwickelt und zugelassen wurde – und weil es der erste mRNA-Impfstoff überhaupt ist. Möglich machte das die Biochemikerin Katalin Karikó (65).

«Ich habe nie daran gezweifelt, dass es funktioniert», sagt die Impf-Pionierin gegenüber dem «Guardian». Jahrzehnte hat sie an dieser speziellen Boten-RNA-Technologie geforscht. «Ich hatte die Daten aus den Tierversuchen gesehen und ich habe es erwartet.» Sie habe sich immer gewünscht, noch die Zulassung zu erleben.

Mit 65 Jahren ist der Traum für die geborene Ungarin und Biochemikerin in Erfüllung gegangen. Zahlreiche Länder – darunter auch die Schweiz – impfen bereits mit BNT162b2, den sie als Senior Vice President für Biontech gemeinsam mit Pfizer entwickelt hat. Ihre Erkenntnisse ebnen auch den Weg für den Impfstoff von Moderna, der unter anderem in den USA und Kanada bereits zugelassen ist.

«Wir kannten niemanden»

Bis es so weit kam, war es für die Wissenschaftlerin ein steiniger Weg. 1985 verliess sie gemeinsam mit ihrem Mann und der damals zweijährigen Tochter das kommunistische Ungarn und ging in die USA. «Es war ein One-Way-Ticket. Wir kannten niemanden», erzählte sie dem «Business Insider». Nicht mal ein Telefon oder eine Kreditkarte besass sie. Eigentlich hätte sie nur 100 US-Dollar umtauschen dürfen. Doch Karikó verkaufte das Auto ihrer Eltern auf dem Schwarzmarkt und versteckte 900 britische Pfund im Teddybären ihrer Tochter.

Die Wissenschaftlerin glaubte fest an eine synthetische Form von RNA zur Krankheitsbekämpfung. Sie weist Zellen an, Proteine herzustellen, die für fast alle menschlichen Funktionen benötigt werden.

Bei den neuen Impfstoffen wird im Labor hergestellte mRNA in menschliche Zellen eingeschleust, um Viren-Proteine zu produzieren, die schliesslich eine Immunreaktion auslösen. Damit wird der Körper vorgängig auf den Umgang mit der Infektion mit einem Virus geschult.

Sie schlief regelmässig im Büro

1989 ging Karikó an die Medizin-Universität in Pennsylvania. Doch ihrem mRNA-Forschungsteam dort ging bald das Geld aus. Der Durchbruch begann erst viel später mit einer schicksalhaften Begegnung: 1998 kam Drew Weissman, der für die amerikanische Gesundheitsbehörde an einer HIV-Impfung arbeitete, an Karikós Uni. «Ich habe ihn am Kopierer getroffen und ihm gesagt, dass ich jede RNA machen kann.»

Gemeinsam tüftelten sie an der Technik. Bis ihnen 2005 schliesslich der spektakuläre Durchbruch gelang: Sie beseitigten das Problem, dass mRNA bei der Injektion eine Entzündungsreaktion auslöste, indem sie einen der vier Bausteine der mRNA modifizierten. Die innovative Technologie könnte die Lösung für viele Krankheiten sein – und ihren Entdeckern einen Nobelpreis einbringen. Moderna-Gründer Derrick Rossi hat sich jedenfalls schon dafür ausgesprochen.

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Eine grosse Auszeichnung reiht sich in jedem Fall prima in die Familientradition ein. Karikós Tochter Zsuzsanna «Susan» Francia gewann als Ruderin 2008 in Peking und 2012 in London olympische Goldmedaillen, dazu kamen noch fünf Weltmeistertitel für die USA. «Sie hat immer gesagt, unsere Arbeitsethik treibt sie an», sagt Karikó. Die Ausnahme-Forscherin erinnert sich an zahlreiche Nächte, die sie im Büro verbrachte. Dafür, dass der Rest der Welt jetzt ruhig schlafen kann. (kin)

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