Frau Botschafterin, was erwartet Dänemark von der Schweiz?
Susanne Hyldelund: Dänemark möchte der Ukraine Piranha-Panzer schenken. Obwohl wir die Panzer vor über 25 Jahren gekauft haben, dürfen wir sie nicht exportieren. Wir respektieren die Schweizer Neutralität, auch wenn sich unser Verständnis in Grenzen hält. Die Ukraine braucht jede Unterstützung. Wir hoffen, dass sich die Schweiz endlich bewegt.
Das Schweizer Parlament ist dran, die Regeln beim Rüstungsexport zu ändern. Reicht das?
Es ist im Schweizer Interesse, die Ukraine und die Nato zu unterstützen. Die Schweiz profitiert von ihrer geografischen Lage: Bis auf Liechtenstein und Österreich ist die Schweiz von Nato-Ländern umgeben, die die Schweiz zum Nulltarif schützen. Die Ukraine ist furchtbar attackiert worden und braucht die Unterstützung von uns allen. Wer ist Putins nächstes Opfer, wenn wir ihm nicht Einhalt gebieten?
Mehr Europa-Politik
Auch die Niederlande sind auf die Schweiz sauer: In Norditalien rosten Schweizer Leopard-1-Panzer vor sich hin, die Den Haag für die Ukraine kaufen wollte.
Ich verstehe den Ärger der Niederländer. Auch Dänemark findet es sehr problematisch, dass die Panzer nicht zum Einsatz kommen. Dänemark beteiligt sich an einem Projekt, das Leopard-1-Panzer in Deutschland fit macht und ukrainische Soldaten trainiert. Am Ende zählt jeder Panzer. Wir erwarten, dass die Schweiz unseren niederländischen Verbündeten auch bei den Leopard-1-Panzern entgegenkommt.
Die Schweizer Rüstungsindustrie hat Angst, dass Nato-Länder keine Waffen mehr in der Schweiz kaufen.
Die Befürchtung ist nicht unberechtigt. Nach den Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg werden viele Länder sich zweimal überlegen, ob sie Rüstungsgüter von der Schweiz kaufen.
Die Schweiz will die Zusammenarbeit mit der Nato intensivieren. Was halten Sie davon?
Dänemark begrüsst das sehr. Wir schätzen das Engagement der Schweiz im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden. Aber leider reicht das in der aktuellen Weltlage nicht aus. Wir würden es deshalb sehr begrüssen, wenn die Schweiz Lösungen findet, wie man in Not geratenen Ländern noch aktiver und direkter helfen kann.
Pickt sich die Schweiz Rosinen raus?
Lassen Sie es mich diplomatischer sagen: Eine starke Ukraine ist im Schweizer Interesse. Wir brauchen dringend Waffen für die Ukraine – hier sollte die Schweiz kein Bremsklotz sein. Gleichzeitig wissen wir zu schätzen, was die Schweiz in Sachen Wiederaufbau und Minenräumung für die Ukraine leistet.
Themawechsel: Dänemark steht für einen harten Migrationskurs, obwohl in Kopenhagen die Sozialdemokraten an der Macht sind. Wie passt das zusammen?
Sie dürfen sich die dänischen Sozialdemokraten nicht wie die SP Schweiz vorstellen. Die dänische Sozialdemokratie hat sich in den letzten acht Jahren verändert. Die Gesellschaft ist gegen unkontrollierte Migration. Dänemark möchte nur so viele aufnehmen, wie gut integriert werden können.
Was ist daran sozialdemokratisch?
Der soziale Friede ist der dänischen Sozialdemokratie sehr wichtig. Sie möchte keine Parallelgesellschaften und auch keine gespaltene Gesellschaft. Klar ist: Alle, die wirklich gefährdet sind, erhalten im Rahmen des Asylrechts Schutz. Wer aber keine Aussicht auf Asyl hat, wird konsequent abgeschoben.
Grossbritannien hat überlegt, Flüchtlingslager in Ruanda zu betreiben. Kann sich Dänemark Ähnliches vorstellen?
Unsere Vorgänger-Regierung hat dieses Szenario geprüft, aktuell steht es nicht auf der Tagesordnung. Klar ist: Wir brauchen innovative Lösungen. Deals mit Drittstaaten können helfen, Leben zu retten. Es ist furchtbar, dass so viele Menschen auf dem Mittelmeer sterben. Es muss unser Ziel sein, dass wir notleidenden Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung helfen, sodass sie erst gar nicht ein unsicheres Schlepper-Boot besteigen müssen.
Die dänische Wirtschaft brummt dank einer Abnehmspritze. Haben Sie übergewichtige Freunde, die plötzlich abspecken?
Mein Mann hat sich ein Prospekt angeschaut (lacht). Spass bei Seite: Die Abnehmspritze ist ein richtiger Exportschlager – Dänemark kommt gar nicht mehr nach mit der Produktion. Der Hersteller Novo Nordisk will über fünf Milliarden Euro für zusätzliche Produktionskapazitäten investieren.
Susanne Hyldelund (55) vertritt Dänemark in Deutschland, in der Schweiz und in Liechtenstein. Es gibt keine dänische Botschaft in Bern – Hyldelund kümmert sich von Berlin aus um die Beziehungen zur Schweiz. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Susanne Hyldelund (55) vertritt Dänemark in Deutschland, in der Schweiz und in Liechtenstein. Es gibt keine dänische Botschaft in Bern – Hyldelund kümmert sich von Berlin aus um die Beziehungen zur Schweiz. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Im Vergleich zu Novo Nordisk sehen Roche und Novartis an der Börse alt aus. Muss sich die Schweizer Pharmaindustrie Sorgen machen?
Im Gegenteil: Wir arbeiten bestens zusammen. Novo Nordisk hat in der Schweiz rund 300 Angestellte, die den weltweiten Verkauf stemmen.
Der Bundesrat will beim Rahmenabkommen vorwärtsmachen. Was sagt Ihre Regierung?
Schon jetzt sind die EU und die Schweiz ein Dreamteam. Wir arbeiten eng zusammen, und alle wissen: Am Ende profitieren beide Seiten von einer guten Zusammenarbeit. Mir tut in der Seele weh, wie Studierende und Forschende unter der aktuellen Situation leiden. Dänemark ist für eine faire Lösung mit der Schweiz, erwartet aber auch, dass sich die Schweiz bewegt.
Wann besucht Königin Margrethe II. die Schweiz?
Aktuell ist kein Besuch geplant. Kronprinz Frederik geht gerne in Verbier Ski fahren.
Viele reiche Norweger ziehen aus Steuergründen in die Schweiz. Droht auch Dänemark ein Exodus der Superreichen?
Die Norweger haben viel mehr Geld als wir (lacht). Mir ist kein dänischer Exodus bekannt. Allerdings hat der zweimalige Tour-de-France-Gewinner Jonas Vingegaard vor ein paar Tagen mitgeteilt, dass er ins Tessin ziehen wird.
Wie finden Sie die dänische Erfolgsserie «Borgen»?
Ich liebe «Borgen» – eine tolle Serie und eine super Werbung für Dänemark!
Ihre Lieblingsfigur?
Natürlich die Hauptrolle Birgitte Nyborg! Viele Frauen waren von «Borgen» beeindruckt, denn die Serie greift auch das Tabuthema Wechseljahre bei Alpha-Frauen auf. Es ist beeindruckend, wie die Figur der Birgitte Nyborg plötzlich mit Hitzewallungen zu kämpfen hat. Aus feministischer Perspektive ist sehr wichtig, solche Tabus zu thematisieren.