Sanna Marin (36) kann sich dieser Tage nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen. Eben noch musste sich die finnische Regierungschefin für ihre wilden Tanz-Videos rechtfertigen. Dann tauchte auch noch ein Foto von barbusigen Influencerinnen auf, die sich auf Einladung von Marin am finnischen Regierungssitz aufhielten und dort frivol feierten. Kurz darauf folgte das nächste Party-Video. Darauf tanzte sie eng umschlungen mit der finnischen Influencerin Sabina Särkkä (33). Genau diejenige, die sich auch freizügig auf dem Foto zeigte.
Inzwischen hat sich die einstmals jüngste Regierungschefin der Welt, sichtlich aufgewühlt, für das feuchtfröhliche Bildmaterial aus ihren Amtshallen entschuldigt. «Ich bin ein Mensch, und ich vermisse auch manchmal Freude, Licht und Spass inmitten dieser dunklen Wolken», sagte die Sozialdemokratin am Mittwoch mit zitternder Stimme bei einer Veranstaltung ihrer Partei im finnischen Lahti.
Die politische Aufarbeitung der jüngsten Entgleisungen in Helsinki fängt derweil erst an. Doch wer hat die brisanten Party-Aufnahmen überhaupt veröffentlicht? Und wieso tauchen die Bilder erst nach und nach auf? Steckt eine der feiernden jungen Frauen selbst dahinter – oder ist das das Werk von Kreml-Chef Wladimir Putins (69) Hackern? Der russische Präsident hat schliesslich ein Interesse daran, sein Nachbarland in eine Regierungskrise zu stürzen und auf dem Weg in Richtung Nato-Mitgliedschaft auszubremsen.
Cybersicherheits-Experte überrascht von Putins Passivität
«Natürlich möchte Russland Sanna Marin schaden», sagt der finnische Cybersicherheits-Experte Petteri Järvinen (60) zu Blick. «Diese Bilder sind für Putin äusserst nützlich. Aber wir haben bislang keine konkreten Hinweise darauf, dass russische Hacker irgendwas mit der Affäre zu tun haben.»
Seit Finnland im Frühling seine Absicht erklärt hat, dem Militärbündnis Nato beizutreten, haben Järvinen und seine Kollegen immer wieder vor dem erhöhten Risiko durch russische Hacker-Angriffe gewarnt. «Bislang aber ist nichts passiert. Wir sind ehrlich gesagt überrascht von der russischen Passivität.»
Der Experte vermutet eine ganz banale Erklärung für die auftauchenden Party-Bilder. «Sehr wahrscheinlich waren es die naiven Partygäste selber», glaubt Petteri Järvinen. «Diese Influencer waren dumm genug, um die Konsequenzen ihres Handelns nicht zu verstehen.» Die finnische Regierungschefin habe einen unglaublich steilen Aufstieg hingelegt und sich immer gerne mit Pop-Stars und Influencern umgeben. «Dabei hat sie nicht gemerkt, dass diese Menschen sie oft für ihre eigenen Zwecke ausnutzen wollen», glaubt Järvinen.
Sanna Marin hat die falschen Freunde
Sein Tipp an die Regierungschefin: «Seien Sie vorsichtig, mit was für Freunden Sie sich umgeben! Und wenn Sie feiern gehen: Sagen Sie Ihren Begleitern, sie sollen ihre Smartphones zu Hause lassen!»
Grund zur Vorsicht sei absolut geboten, mahnt Cybersicherheits-Experte Järvinen. Die jüngsten Enthüllungen über die Spionage-Software Pegasus hätten zuletzt wieder deutlich gezeigt, wie einfach es ist, vermeintlich gut geschützte Personen auszuspionieren und in Bedrängnis zu bringen. Erst im Mai wurde bekannt, dass etwa der spanische Regierungschef Pedro Sánchez (50) mit der israelischen Software beschattet worden ist.
Dass Sanna Marins politische Karriere durch die jüngste Party-Affäre ausgebremst wird, glaubt Petteri Järvinen indes nicht. «Sie ist noch immer sehr beliebt – besonders bei jungen Wählerinnen und Wählern. Für ihre Partei, die finnischen Sozialdemokraten, ist sie deshalb Gold wert. Das durchschnittliche Alter der Parteimitglieder liegt bei 70 Jahren!»
Profitieren dank #solidaritywithsanna profitieren
Die Party-Affäre könnte der linken Regierungschefin unter dem Strich sogar nützen. Unter dem Hashtag #solidaritywithsanna haben zahlreiche Finninnen in den vergangenen Tagen Tanz-Videos von sich gepostet und für das Recht auf Party geworben – ganz unabhängig davon, was für eine Funktion oder was für einen Job man hat.
Erst im vergangenen Winter stand die finnische Regierungschefin schon einmal kurz in der Kritik. Damals tauchten Fotos auf, die sie in einer Disco in Helsinki zeigten – obwohl sie am selben Tag Kontakt mit einem positiv auf Corona getesteten Politiker hatte. Doch Sanna Marin scheint immun zu sein gegen mögliche politische Konsequenzen ihres Ausgehverhaltens – mindestens bis jetzt.