Schlimmster Ausbruch seit Pandemie-Beginn in Taiwan
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Mehr als 300 Neuinfektionen!Schlimmster Ausbruch seit Pandemie-Beginn in Taiwan

Corona-Musterland in Panik wegen 333 Infektionen
Schlimmster Ausbruch seit Pandemie-Beginn in Taiwan

Was weltweit als Erfolg gefeiert würde, sorgt in Taiwan für Panikkäufe und die zweithöchste Warnstufe. Der Inselstaat hat so viele Infektionen wie nie. Und rätselt: Wo kommen sie her?
Publiziert: 17.05.2021 um 19:15 Uhr
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Aktualisiert: 18.05.2021 um 06:29 Uhr
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Maximale Corona-Reaktion: Desinfektionsmassnahme in Taiwans Hauptstadt Taipeh.
Foto: DUKAS
Fabienne Kinzelmann

In Taiwan steigen die Infektionszahlen. 15 Fälle waren es vor einer Woche, am Sonntag dann schon 207. Und am Montag 333. Bei fast 24 Millionen Einwohnern.

In der Schweiz würde man bei solchen Corona-Zahlen die Konfettikanone zünden. In Taiwan aber herrscht Panik.

Die Hauptstadt Taipeh und die Metropole New Taipeh wirken in diesen Tagen wie ausgestorben. Das Seuchenkontrollzentrum CECC hat hier die dritte von vier Corona-Warnstufen ausgerufen. Bedeutet: Die Schulen sind dicht, von Reisen wird abgeraten, Treffen von mehr als zehn Personen draussen und fünf Personen in geschlossenen Räumen sind verboten. Landesweit gilt eine Maskenpflicht – Kinos, Bars, Saunas und Casinos müssen ausserdem um 16 Uhr schliessen, damit Bewohner aus den Epizentren keinen Anreiz haben, in andere Landesteile zu fahren.

Erst 12 Corona-Tote in Taiwan

Die Massnahmen sind für die Taiwanesen ungewohnt. Während die meisten Menschen weltweit seit einem Jahr im Dauer-Ausnahmezustand leben, hatte Taiwan die Lage trotz hoher Bevölkerungsdichte und Nähe zum ursprünglichen Epizentrum China schnell und nachhaltig im Griff.

«Wir haben früh verstanden, dass wir die Reproduktionszahl auf unter 1 drücken können, wenn drei Viertel der Leute den ganzen Tag eine Maske tragen und ihre Hände ordentlich waschen. Einen Lockdown brauchten wir nie», erzählte Taiwans Digitalministerin Audrey Tang (40) in einem Interview mit SonntagsBlick. Bis heute sind insgesamt nur zwölf Menschen in Taiwan mit Covid-19 gestorben.

Teil des Erfolgsrezepts: Taiwan wurde nie übermütig. Obwohl die Fallzahlen praktisch auf null waren, verschärfte der Inselstaat zum Winter hin die Corona-Regeln. «Wir gehen davon aus, dass sich das Virus im Herbst und Winter leichter verbreitet. Also versuchen wir dies zu verhindern, bevor wir wieder mehr Fälle haben», erklärte Tang.

Haben Airline-Mitarbeiter Schuld an den Ausbrüchen?

Nun ist das Virus offenbar doch durchs sorgfältig gesponnene Vorsichtsnetz geschlüpft. Wie übrigens auch bei vielen asiatischen Nachbarn: Auch andere ehemalige Vorzeigeländer wie Singapur, Vietnam und Thailand kämpfen aktuell mit Corona-Ausbrüchen.

In Taiwan machen die Fälle der vergangenen Woche rund ein Drittel der Gesamt-Fallzahlen über die letzten 14 Monate aus, die 333 Corona-Fälle am Montag sind mehr als zwölfmal so viel wie beim letzten Peak am 20. März 2020! Im vergangenen Jahr wurden zudem mehr als 90 Prozent der Corona-Fälle bei Einreise ins Land entdeckt, die Quarantäneregeln hielten dicht und Corona fern.

Jetzt kämpft Taiwan das erste Mal so richtig mit lokalen Ausbrüchen. Und rätselt: Woher kommen die Infektionen?

«Schuld» könnten Airline-Mitarbeiter sein. Wie unter anderem der «Guardian» berichtet, begann der Ausbruch Ende April im Zusammenhang mit Crews der nationalen Fluggesellschaft China Airlines und eines 5-Sterne-Flughafenhotels der Kette Novotel. Sowohl Airline als auch Hotel wurden seitdem mit einer Busse belegt.

Britische Variante verbreitet sich in Taiwan

Am 20. April wurden laut «Guardian» Infektionen bei zwei Piloten gemeldet – kurz vorher waren die Quarantänezeiten für Flugpersonal allgemein jedoch gelockert worden, nur noch drei Tage waren vorgeschrieben. Und just im selben Gebäude, in dem auch Kollegen der infizierten Piloten in Quarantäne waren, wurden auch Touristen untergebracht: Planespotter, denen Novotel ein Promo-Package für umgerechnet 90 Schweizer Franken pro Nacht verkauft hatte, damit sie Flugzeuge beim Starten und Landen beobachten konnten.

Als die Seuchenbehörde CECC zehn Tage nach den gemeldeten Piloten-Infektionen eine Untersuchung wegen des «möglichen Risikos einer Übertragung» begann, hatten viele Crew-Mitglieder längst ausgecheckt. Bei einigen stellte sich später raus, dass sie öffentliche Einrichtungen besucht hatten, obwohl sie infiziert waren.

Bis Anfang Mai wurden 18 Mitarbeiter der Airline und des Hotels sowie 11 Familienmitglieder positiv getestet – nun gibt es lokale Ausbrüche, bei denen sich keine direkte Verbindung mehr zum Flughafen oder zum Hotel nachweisen lässt. Stand Montag wurden Corona-Fälle in neun Städten und Bezirken registriert, alle betreffen offenbar die Virusvariante aus Grossbritannien.

Supermarktregale sind leer, Impfungen plötzlich begehrt

Vorläufig gelten die strengeren Corona-Massnahmen bis zum 28. Mai. Die Regierung rief dazu auf, Panikkäufe zu vermeiden. «Nach mehr als einem Jahr der Vorbereitung sind die Materialien zur Bekämpfung der Pandemie, Waren und Rohstoffe ausreichend, und auch die Läden arbeiten wie gewohnt», schrieb Präsidentin Tsai Ing-wen (64) am Wochenende auf Facebook. Doch ihre beruhigenden Worte halfen nichts: Die Supermarktregale sind vielerorts leer, Klopapier und Instant-Nudeln grossflächig ausverkauft.

Und auch der Run auf Impfungen hat sprungartig zugenommen. Erst 32'000 Menschen haben mindestens eine Erstdosis Impfstoff erhalten – weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Zum einen, weil Taiwan noch nicht viel Impfstoff erhalten hat. Zum anderen, weil viele Taiwanesen bislang auch keine Dringlichkeit zum Piks sahen, schliesslich war das Virus auch so unter Kontrolle. Das hat sich nun geändert.

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