Die 82-jährige Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, spielt mit dem Feuer. Sie hat trotz Warnung von US-Präsident Joe Biden (79) Taiwan am Dienstagnachmittag einen Besuch abgestattet. Die Reaktion in Peking ist scharf: Kampfjets und Kriegsschiffe werden losgeschickt, auch das Militär in Taiwan macht sich bereit.
Wie gefährlich ist der Konflikt? Blick beantwortet die dringendsten Fragen.
Warum ist Nancy Pelosi nach Taiwan gereist?
Pelosi plante den Besuch ohne den Segen von Präsident Joe Biden. Ralph Weber, China-Experte an der Uni Basel: «Ein solcher Besuch liegt durchaus in ihrem Aufgabenbereich, nicht zuletzt wegen des Taiwan Relation Act.» Mit dem Taiwan Relation Act werden seit 1979 quasi-diplomatische Beziehungen aufrechterhalten. Pelosi, deren Tage als Mehrheitsführerin im Kongress wegen der schlechten Werte gezählt sein dürften, hat auch ihr politisches Vermächtnis vor Augen.
Warum greift Biden nicht ein?
Biden hatte Pelosi gewarnt und über den geplanten Besuch gesagt: «Das Militär hält es im Moment für keine gute Idee.» Als Sprecherin des Repräsentantenhauses könne und solle Pelosi aber unabhängig agieren, sagt Weber. Weber: «Es ist daher wichtig zu unterstreichen, dass der Besuch nicht die offizielle Politik der US-Regierung zum Ausdruck bringt.»
Was wird der Besuch bringen?
Taiwan brauche eine Menge Hilfe, wenn es um die wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA oder um militärische Kooperation geht, sagt Asien-Kenner Zack Cooper, stv. Direktor der Initiative «Alliance for Securing Democracy», gegenüber der «Deutschen Welle». «Aber Besuche und Rhetorik helfen da nicht wirklich weiter. Deshalb ist dies für mich eine Reise mit hohem Risiko und geringem Nutzen.»
Warum ist Nancy Pelosis Besuch so gefährlich?
China fühlt sich provoziert, wenn eine hohe US-Politikerin der abtrünnigen Provinz, wie China Taiwan bezeichnet, einen Besuch abstattet. Peking lehnt im Rahmen seiner «Ein-China-Doktrin» offizielle Kontakte anderer Länder zur freigewählten Regierung Taiwans ab.
Wie reagiert China auf den angekündigten Besuch?
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping (69) hatte US-Präsident Joe Biden in einem Telefonat am vergangenen Donnerstag vor dem Besuch gewarnt: «Diejenigen, die mit dem Feuer spielen, werden daran zugrunde gehen.» Inzwischen wurden Militärmanöver gestartet: Kampfjets und Kriegsschiffe dringen bis zur sogenannten Medianlinie zwischen dem Festland und der Insel vor. Eine der fünf Heeresführungen zeigte sich in einem martialischen Online-Auftritt und drohte: «Steht bereit zum Kämpfen, begrabt alle eindringendes Feinde!»
Wie reagiert Taiwan auf Chinas militärische Manöver?
Auch Taiwans Militär hat seine Kampfbereitschaft erhöht. Um das Grand Hyatt-Hotel in Taipeh, wo Pelosi möglicherweise übernachten soll, wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft.
Wird der Konflikt ausarten?
Ein militärischer Konflikt ist derzeit nicht im Interesse der beiden Länder. «Solche Situationen bergen aber immer die Gefahr einer ungewollten Eskalation, etwa durch eine unglückliche Verkettung von Umständen. Auf beiden Seiten agieren die Akteure unter vielen Handlungszwängen», sagt Weber. Cooper ist zurückhaltend optimistisch und verweist auf das Gespräch zwischen Xi und Biden am vergangenen Donnerstag: «Das virtuelle Treffen ist so gut gelaufen, wie es nur hätte laufen können.» Cooper schätzt das Risiko auf einen militärischen Konflikt auf «10 bis 20 Prozent».
Welche Auswirkungen hätte ein militärischer Konflikt auf die Welt?
Ralph Weber: «Ein militärischer Konflikt zwischen diesen zwei Grossmächten hätte enorme Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und würde das Potenzial weiterer militärischer Eskalation und einer weiteren globalen Ausdehnung des Konflikts mit sich bringen.» Aus Russland heraus seien schon erste Zeichen der Unterstützung der VR China in ihrem Protest zum Besuch von Nancy Pelosi erfolgt.
Welchen Zusammenhang hat der Taiwan-Konflikt mit dem Krieg in der Ukraine?
China beobachtete die Reaktion des Westens, als Russland am 24. Februar in die Ukraine eindrang. In Taiwan und Washington wachsen die Befürchtungen, dass China nun eine Invasion der Insel plane.
Wann gab es das letzte Mal einen US-Besuch in Taiwan?
1997 hat Pelosis republikanischer Vorgänger Newt Gingrich (79) Taiwan besucht. Die Rhetorik in Peking war damals ähnlich laut, fand aber kaum Eingang in die Medien, weil die Machtverhältnisse damals noch anders waren.
Warum haben China und Taiwan Streit?
Seit Jahren liegen Taiwan, auch Chinesisches Taipei oder Republik China auf Taiwan genannt, und Peking im Streit. Die mit 23,5 Millionen Menschen bevölkerte Insel betrachtet sich als selbständigen Staat, während China sie als Teil ihrer Volksrepublik sieht. Taiwan wird von 18 Staaten – meist Mini-Staaten – anerkannt.
Wie steht die Schweiz zu Taiwan?
Die Schweiz verfolgt die sogenannte «Ein-China-Politik» und anerkennt Taiwan nur als Teilstaat Chinas. Es gibt – aus Rücksicht auf China – keine formalen diplomatischen Beziehungen.