Auf einen Blick
- Mark Carney wird neuer kanadischer Premier und warnt vor Trump
- Carney bezeichnet Trumps Annexionsfantasien als ernsthafte Bedrohung für Kanada
- Carney gewann Wahl zum Parteivorsitz mit einer Mehrheit von über 80 Prozent
Ein offener Handelskrieg, Annexionsfantasien und erbitterte Wortgefechte: Die Beziehung zwischen Kanada und den USA ist derzeit angespannt wie lange nicht. Nach Donald Trumps Ankündigung von Zöllen auf kanadische Güter reagierte das Nachbarland spiegelbildlich und erhob ebenfalls Strafzölle. Zudem drohte Trump mehrfach, Kanada zum 51. US-Bundesstaat machen zu wollen – eine Aussage, die im Nachbarland durchaus ernst genommen wird.
Während die aussenpolitischen Spannungen in Kanada zunehmend Besorgnis auslösen, durchläuft das Land gerade einen politischen Umbruch. Am Sonntag wurde der ehemalige Chef der britischen und kanadischen Zentralbank, Mark Carney (59), zum Nachfolger Justin Trudeaus als Vorsitzender der liberalen Partei gewählt. Es gilt als sicher, dass der Wirtschaftsexperte auch das Amt des Ministerpräsidenten von Trudeau übernimmt. In wenigen Wochen dürfte es dann jedoch Neuwahlen im zweitgrössten Flächenland der Welt geben.
Bei seiner Siegesrede schwor der designierte Premier das kanadische Volk sogleich auf den Kampf gegen Trump ein: «Amerika ist nicht Kanada – und Kanada wird nie und nimmer in irgendeiner Form Teil Amerikas sein», betonte der 59-Jährige. Carney sprach Trump in seiner Rede auch direkt an: «Er will unser Land nehmen. Er will unsere Familien und unsere Wirtschaft kaputt machen.»
Carney über Trump-Regierung: «Sie werden unsere Lebensweise zerstören»
Carney zeichnete in seiner Rede das Bild einer wehrhaften kanadischen Nation. «Wir haben nicht um diesen Kampf gebeten, aber die Kanadier sind immer bereit, wenn jemand anderes die Handschuhe fallen lässt.» Und weiter: «Die Amerikaner wollen unsere Ressourcen, unser Wasser, unsere Böden und unser Land», fuhr er fort. «Denken Sie darüber nach: Wenn sie Erfolg haben, werden sie unsere Lebensweise zerstören.» Deshalb richtete er sich mit klaren Worten an seine Bevölkerung: «Wir müssen in den nächsten harten Tagen zusammenstehen.»
Der 59-Jährige gewann die Wahl zum Vorsteher der liberalen Partei mit einer überwältigenden Mehrheit von 85 Prozent. Carney stammt aus dem kleinen Ort Fort Smith im Nordwesten Kanadas und war in den frühen 2000er-Jahren bei der US-Investmentbank Goldman Sachs als Manager für Investmentbanking tätig. Nun soll er das Land in die Neuwahlen führen. Wann diese stattfinden sollen, ist noch nicht bekannt. Carney, der im Parlament eine Minderheitsregierung anführen wird, könnte entweder selbst eine vorgezogene Neuwahl ausrufen, oder die Oppositionsparteien könnten noch in diesem Monat mit einem Misstrauensvotum eine Neuwahl erzwingen.
Voldemort-Vergleich
Während seines Wahlkampfes schlug Carney Vergeltungszölle in der Höhe eines jeden Dollars gegen die USA vor. Das bedeutet: Die Kanadier würden Zölle in identischer Höhe erheben und sicherstellen, dass der Gesamtwert der von ihnen besteuerten amerikanischen Waren dem der US-Zölle auf kanadische Exporte entspricht. Carney glaubt: Diese Massnahmen würden den Vereinigten Staaten am meisten wehtun. «Wir werden diesen Kampf gewinnen.» Zudem kündigte er an, die Zölle auf US-Importe so lange aufrechtzuerhalten, «bis sie uns Respekt zeigen».
Kritikerinnen und Kritiker werfen dem Ökonomen fehlende politische Führungserfahrung vor. Carney selbst betonte im Wahlkampf, dass sein tiefes Wirtschaftsverständnis ihn zum besten Kandidaten mache, sich gegen Trumps Zollagenda zu wehren. Obwohl Carney bis jetzt noch nie in ein politisches Amt gewählt wurde, bekleidete er bereits zahlreiche Positionen innerhalb der kanadischen Regierung – zuletzt als Vorsitzender einer Taskforce für Wirtschaftswachstum.
Der ehemalige Goldman-Sachs-Manager hat bereits im Wahlkampf scharf gegen Trump geschossen: Vor seiner Wahl verglich er den US-Präsidenten mit dem Harry-Potter-Bösewicht Lord Voldemort. «Wenn man darüber nachdenkt, was bei diesen lächerlichen, beleidigenden Aussagen des Präsidenten auf dem Spiel steht und was aus uns werden könnte, dann betrachte ich das als eine Art Voldemort-Drohungen», so der 59-Jährige an einer Wahlkampfveranstaltung.