Brüssel-Bomber planten Anschlag auf EM 2016 in Frankreich
«Hundertprozentige Sicherheit wird nie möglich sein»

Die Brüssel-Bomber hatten die Europameisterschaft in Frankreich für ihren nächsten Terroranschlag im Visier. Ist die Durchführung gefährdet?
Publiziert: 12.04.2016 um 22:19 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 14:48 Uhr
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Der mutmassliche Terrorist Mohamed Abrini wurde am Freitag von der belgischen Polizei festgenommen.
Foto: HANDOUT

Brüssel war nur ein Ausweichziel: Die Terroristen planten ursprünglich einen Anschlag auf die Fussball-Europameisterschaft in Frankreich. Nach der Festnahme von Salah Abdeslam hatten sie aber Angst, dass die Polizei ihre Projekte durchkreuzt und änderten deshalb ihren Plan.

Diese Informationen stammen aus der Befragung des verhafteten Mohammed Abrini (31), nach dem als «Mann mit Hut» gefahndet wurde. Adrian Hänni, Terrorismus- und Nachrichtendienst-Experte, nimmt die Informationen für BLICK genauer unter die Lupe.

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BLICK: Was ist dran an den Aussagen des mutmasslichen Terroristen?

Adrian Hänni: Es ist noch zu früh, um die Aussagen von Abrini als wahr zu betrachten, es fehlen die Beweise. Terrorismus funktioniert vor allem psychologisch. Bereits mit diesen Aussagen haben die Terroristen ein Ziel erreicht: Die Menschen sprechen über das Thema, es herrscht Verunsicherung und es wird während der EM noch mehr Geld für die Sicherheit ausgegeben werden. Bereits aus früheren Befragungen, beispielsweise von Al-Qaida-Häftlingen, weiss man, dass die Aussagen von Terroristen über geplante Terroranschläge teilweise reine Fantasien sind.

An der Fussball-EM werden Hunderttausende Menschen aus ganz Europa anwesend sein. Die Sicherheitsbedenken werden immer lauter. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Europameisterschaft zum Ziel des Terrors wird?

Das wäre absolut in Einklang mit der Strategie, die vom IS verfolgt wird. Grosssportanlässe sind für terroristische Gruppierungen geeignete Ziele. In der Vergangenheit wurden solche Veranstaltungen mehrfach angegriffen, wie zum Beispiel die Olympischen Spiele in Atlanta und München, oder erst kürzlich der Boston Marathon. Der IS will gezielt den Tourismus und die Reisetätigkeit angreifen und damit der europäischen Volkswirtschaft Schaden zufügen.

Was soll gegen die Terrorgefahr gemacht werden?

Für die Europameisterschaft wird sehr wichtig sein, dass die internationalen Sicherheitsbehörden und auch die lokale Polizei zusammenarbeiten. Es wird sicher alles gemacht, was möglich ist, um die Sicherheit zu gewährleisten. Schlussendlich wird es jedoch in einer offenen Gesellschaft nie möglich sein, eine hundertprozentige Sicherheit zu garantieren.

Nach Angaben der belgischen Behörden wurden in den letzten Wochen mehrere Drahtzieher der Anschläge von Brüssel und Paris festgenommen. Wie stark ist die IS-Zelle heute noch?

Eine Einschätzung von aussen ist sehr schwierig. Laut den veröffentlichten Informationen sind mindestens die Schlüsselfiguren aus Brüssel und Paris aus dem Verkehr gezogen, die Zelle ist sicher geschwächt. Für den IS besteht jedoch nach wie vor die Möglichkeit, Kämpfer nach Europa zurückzuschicken und eine neue Zelle aufzubauen. Doch der Aufbau einer neuen Zelle ist logistisch sehr aufwendig und braucht viel Zeit. Da bis zur EM nur noch knapp zwei Monate bleibt, wäre dies sehr schwer realisierbar nach dieser Schwächung.

Was sind nun die Konsequenzen, die man als EM-Gänger daraus ziehen sollte?

Als Fussball-Fan soll man mit gesundem Menschenverstand bei der Sache sein. Die Situation richtig einschätzen und Vorsicht walten lassen, wo angebracht. Unsere überproportionale Angst ist viel grösser als die tatsächliche Gefahr: Das Terror-Risiko ist viel kleiner, als von uns wahrgenommen.

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