Brexit – und jetzt?
12 Fragen für die ganze Welt

Der Brexit steht vor der Haustür. Was passiert jetzt?
Publiziert: 27.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:51 Uhr
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Schnelles Ende EU-Parlaments- präsident Martin Schulz will rasch handeln.
Foto: AFP
Matthias Halbeis

Auf den Brexit folgt hektische Krisendiplomatie. Heute beraten die Parlamente in London, Dublin und Belfast. In Berlin treffen sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande, EU-Ratspräsident Donald Tusk und Italiens Regierungschef Matteo Renzi. Morgen beginnt in Brüssel das Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs, an dem der britische Noch-Premier David Cameron Bericht erstatten muss. Am Mittwoch wird ohne Cameron beraten.

Warum will die EU die Blitzscheidung?

Brüssel fürchtet Ansteckungseffekte in Frankreich, Italien und den Niederlanden. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz will deshalb schon am EU-Gipfel morgen den Scheidungsantrag von Cameron haben. «Eine lange Hängepartie führt zu noch mehr Verunsicherung und gefährdet dadurch Jobs. Deshalb erwarten wir, dass die britische Regierung jetzt liefert», sagte Schulz der Zeitung «Bild am Sonntag». Das genaue Scheidungsprozedere ist in Artikel 50 des EU-Vertrags geregelt, für die Verhandlung können sich die Parteien nach dem Gesuch zwei Jahre Zeit nehmen.

Wie sieht der Zeitplan in Bern aus?

6. Juli: letzte Sitzung Bundesrat vor Sommerpause. 18. Juli: provisorischer Termin Bundesratssitzung, falls Deal mit EU zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) zustande kommt. Der Nationalrat behandelt die MEI-Vorlage in der Herbstsession. Der Ständerat ist in der Wintersession am Zug. Am 9. Februar 2017 endet die MEI-Umsetzungsfrist.

Ist ein Exit vom Brexit möglich?

Rechtlich ist das Referendum nicht bindend, es hat nur beratenden Charakter. Cameron hat zwar betont, er werde ein Ja zum Austritt respektieren, er kann aber auch das Parlament abstimmen lassen. Dort gibt es schon Stimmen, das Votum zu ignorieren.

Was tut Schottland?

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon strebt schnell ein zweites Unabhängigkeitsreferendum an. Jüngste Umfragen legen nahe, dass es eine Mehrheit für eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich geben könnte. 2014 hatten sich im Referendum noch 55 Prozent dagegen ausgesprochen. Ausserdem drohen die Schotten mit Widerstand gegen den Brexit und eigenen Gesprächen mit der EU, um Mitglied zu bleiben.

Warum schweigt die Queen?

Die Königin Grossbritanniens darf weder abstimmen noch sich in der Öffentlichkeit zu politischen Geschäften äussern. Zur Haltung von Queen Elizabeth II. zur Brexit-Frage gibt es widersprüchliche Hinweise. Die Boulevardzeitung «The Sun» schrieb vor der Abstimmung, die Queen habe sich an einem Dinner abfällig über die EU geäussert. Hin-gegen erinnerte sie vorletztes Wochenende an ihrem 90. Geburtstag daran, dass man grundsätzlich mehr erreiche, wenn man sich zusammentue.

Verliert England seine Atomwaffen?

Das Vereinigte Königreich besitzt atomwaffenbestückte U-Boote auf einem Marinestützpunkt bei Glasgow. Die schottischen Nationalisten sagten vor dem letzten Unabhängigkeitsreferendum, sie wollten den Stützpunkt loswerden. Ein Umzug nach Südengland wäre zwar teuer, aber nur so könnten die Engländer die Waffen unter Kontrolle behalten.

Wie gross ist die Gefahr für einen zweiten Frankenschock?

Anleger flüchteten nach dem Brexit in den Franken. Das drückte den Euro-Kurs zeitweise auf 1.06 Franken. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stabilisierte ihn zwar durch Devisenkäufe bei 1.08 Franken. Doch auf Dauer würde die SNB ihre Bilanz so massiv aufblähen. Das birgt Risiken. Die SNB schwächt den Franken zusätzlich mit Negativzinsen. Aber auch diese kann sie nicht ewig weitersenken. Ein schrittweiser Frankenschock sei daher denkbar, glauben Ökonomen.

Hält das Brexit-Lager seine Versprechen?

Das Leave-Lager versprach, Grossbritannien werde bei einem Brexit nicht mehr wöchentlich 350 Millionen Pfund nach Brüssel überweisen. Dafür fliesse das Geld in das eigene Gesundheitssystem. Direkt nach dem Sieg sagte Ukip-Chef Nigel Farage, man könne dies nicht garantieren. Auch der kommunizierte Betrag sei ein Fehler gewesen. Die Zuwanderung wird entgegen der Erwartungen der Brexit-Befürworter wohl auch nicht gesenkt. Denn Exponenten des Leave-Lagers wollen weiterhin vom EU-Binnenmarkt profitieren. Dieser ist aber an die Personenfreizügigkeit gekoppelt.

Dürfen die Briten in der Schweiz bleiben?

Verlässt das Königreich die EU, gelten auch die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU für sie nicht mehr. Der freie Personenverkehr wird eingeschränkt. Briten in der Schweiz müssten Aufenthaltsbewilligungen beantragen. Sie wären knapp, gelten doch für Drittstaaten Kontingente. Das bleibt so, bis sich Bern und London auf ein neues Abkommen einigen.

Leidet der Bankenplatz London?

Die britische Hauptstadt ist laut Global Financial Centres Index der stärkste Finanzplatz der Welt. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte am Freitag, der Zugang britischer Finanzhäuser zum EU-Markt würde nun aber begrenzt. Hunderttausende Mitarbeiter und mit ihnen viel Geld würden London so abhandenkommen.

Hat London auf Didier Burkhalters Offerte für bilaterale Beziehungen geantwortet?

Schon am Freitag schickte Aussenminister Didier Burkhalter seinem britischen Kollegen Philip Hammond per SMS die Offerte, dass die Schweiz «jederzeit bereit sei, proaktiv und konstruktiv die neuen Beziehungen zwischen Grossbritannien und der Schweiz nach der Abstimmung zu diskutieren.» Wenig später kam die Antwort – ebenfalls per SMS. Hammond schrieb: «Die Offerte ist notiert und willkommen.»

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