Brexit-Streit geht weiter
Warten auf Durchbruch nach nächtlichen Verhandlungen

Zwei Wochen vor dem geplanten britischen EU-Austritt scheint eine Einigung immer noch möglich. Aber die Verhandlungen gestalten sich kompliziert.
Publiziert: 16.10.2019 um 05:13 Uhr
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Aktualisiert: 16.10.2019 um 09:21 Uhr
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Berät mit Vertretern der britischen Regierung über ein Brexit-Abkommen: EU-Chefverhandler Michel Barnier.
Foto: Virginia Mayo

Im Brexit-Streit haben die EU und Grossbritannien in der Nacht zum Mittwoch stundenlang um eine Einigung gerungen. Obwohl ein Abkommen in greifbarer Nähe schien, verkündeten beide Seiten noch keinen Durchbruch.

Verhandlungen unter Zeitdruck

Die Gespräche wurden unterbrochen und sollen noch an diesem Mittwoch fortgesetzt werden, wie es aus EU-Kreisen hiess. Der Zeitdruck ist enorm: Schon zum Nachmittag soll ein Vertragsentwurf stehen, damit er beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs gebilligt werden kann.

Der britische Premierminister Boris Johnson will einen Deal bei dem am Donnerstag beginnenden Gipfel, um den Brexit wie geplant am 31. Oktober zu vollziehen. Ohne Einigung müsste der Premier nach einem britischen Gesetz ab Samstag eine Fristverlängerung bei der EU beantragen – was er keinesfalls will.

EU fordert mehr Zugeständnisse beim Backstop

Vorige Woche hatte Johnson Zugeständnisse in der umstrittenen Irland-Frage gemacht. Doch der EU reichte dies noch nicht. Am Dienstag wurde offenbar nachgelegt.

Danach machte sich vorsichtiger Optimismus breit. EU-Unterhändler Michel Barnier und der britische Brexit-Minister Stephen Barclay sagten übereinstimmend, eine rasche Einigung sei möglich. Der Linken-Europaabgeordnete Martin Schirdewan, der mit anderen Parlamentariern von Barnier informiert wurde, kam zu dem Schluss: «Ein Abkommen scheint mittlerweile in greifbarer Nähe.» Irlands Regierungschef Leo Varadkar sagte, die Dinge bewegten sich «in die richtige Richtung».

Grenzfrage immer noch offen

Im Detail waren die Verhandlungen aber nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen äusserst kompliziert. Streitpunkt war nach wie vor die Frage, wie die Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland offen gehalten werden kann. Aus Sicht der EU ist das nötig, um neue Unruhen in dem früheren Bürgerkriegsgebiet zu vermeiden. Doch will die Gemeinschaft nicht, dass über die «Hintertür» der neuen EU-Aussengrenze in Irland unkontrolliert und unverzollt Waren auf den Binnenmarkt strömen.

Was ist der Backstop?

Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.

Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.

Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.

Größter Streitpunkt der Brexit-Verhandlungen ist der sogenannte Backstop.

Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.

Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.

Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.

Welche Ideen zum Backstop stehen im Raum?

Zur Debatte steht nun eine spezielle Zollpartnerschaft, die Kontrollen an der Grenzlinie auf der irischen Insel überflüssig machen soll. Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen könnte womöglich Grossbritannien Zollkontrollen für die EU übernehmen. Doch müsse die EU dies überprüfen und notfalls einschreiten oder klagen können. Diese Details seien sehr wichtig.

Johnson braucht für Deal Zustimmung des Parlaments

Im Falle einer Einigung mit der EU müsste Johnson erst noch die nötige Unterstützung im britischen Parlament finden, denn seine konservative Partei hat dort keine Mehrheit. In seinem Regierungssitz war am Dienstag tagsüber und abends ein Kommen und Gehen, unter anderen wurden mehrere Minister gesehen.

Die Chefin der nordirischen Protestantenpartei DUP, Arlene Foster, wollte am Abend mit Johnson persönlich sprechen. Regierungsvertreter empfingen Medienberichten zufolge auch einige EU-freundliche Tory-Politiker, die das zwischen Johnsons Vorgängerin Theresa May und Brüssel vereinbarte Abkommen gestützt hatten. Johnson hat keine Mehrheit im Parlament mehr und ist auf jede Stimme angewiesen.

Brexit-Showdown am Wochenende

Für Mittwoch ist in London eine Kabinettssitzung angesetzt. Sie war ursprünglich schon am Dienstag geplant, aber abgesagt worden. Am Samstag könnte es dann zum grossen Showdown im Parlament kommen, bei dem Johnson seinen Brexit-Deal vorlegt. Ob das Unterhauses am Wochenende aber tatsächlich zusammenkomme, hänge ganz von den Ereignissen in Brüssel ab, betonte der erzkonservative Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg in London. Er ist Vorsitzender des Unterhauses und auch für den Parlamentskalender zuständig. (SDA)

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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