Die Sonne spiegelt sich im glatten Wasser des Sees. Kleine Wellen schmiegen sich an den Sandstrand. Die Wärme und das Licht laden zum frühsommerlichen Bad ein. Der Lago Maggiore zeigt am Pfingstmontag sein freundlichstes Gesicht. An die Katastrophe vom Tag zuvor erinnern nur noch die drei Boote der Wasserschutzpolizei am Horizont. Dort, etwa 600 Meter vom Ufer von Lisanza bei Sesto Calende (I) entfernt, versuchen Taucher, die gesunkene «Good...uria» zu bergen.
Es ist später Nachmittag. Eine Geburtstagsgesellschaft hat das Party-Hausboot gemietet. Es sind 21 Touristen aus Italien, Israel und Grossbritannien im Alter zwischen 20 und 60 Jahren. Hinzu kommen zwei Mann Besatzung. Eine grosse Gruppe für die 16 Meter lange «Good...uria». Die Wetterprognose am Morgen sieht zwar Gewitter heranziehen. Dennoch sticht das gecharterte Boot in den See. Es ist später Nachmittag, als Sturm aufkommt. «Der Himmel färbte sich dunkel, dann begann es zu schütten», erinnert sich Luca Caielli (61), der am See wohnt. Selten habe er einen derartigen Sturm erlebt, so der Architekt aus Lisanza.
«Ich sah, wie sie einen Leichnam an Land zogen»
Auch der Skipper sieht das Unwetter aufziehen. Er setzt hastig zur Heimfahrt an. Bis zum Hafen aber schafft es das Boot nicht mehr. Um 19 Uhr beginnt es wie aus Eimern zu giessen. Vielleicht sollten Sonnenverdecke vor dem Regen schützen. Die aber erfasst offenbar der heftige Wind – das Boot kentert. Die Menschen werden über Bord geworfen. Ihre Schreie hört niemand im Tosen des Gewitters. Ein Passagier erreicht schwimmend den Ponton und alarmiert die Behörden.
«Ich wurde von einem Journalisten angerufen», erzählt Eduardo Favarone (67). Sofort eilt der Vizebürgermeister von Sesto Calende ans Ufer, von wo aus die Rettungsaktionen auf Hochtouren laufen. Ein Helikopter startet trotz des Unwetters, sucht mit einer Wärmebildkamera den See ab. Zehn Ambulanzen und zwei Feuerwehrfahrzeuge stehen am Ufer, während die Rettungseinheiten der Wasserschutzpolizei und der Guardia di Finanza den Gekenterten zur Hilfe eilen.
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Italienische Staatsanwaltschaft ermittelt
«Gegen 20 Uhr wurde dann der erste Tote geborgen», sagt Favarone, «ich sah, wie sie den Leichnam an Land zogen». Die Suche dauert die ganze Nacht. Am Morgen steht die traurige Bilanz fest: vier Tote. Darunter ein Italiener (†62) und eine Italienerin (†53). Laut «La Stampa» arbeiteten beide beim italienischen Nachrichtendienst. Beim dritten Opfer handelt es sich um einen israelischen Touristen. Die vierte Tote ist die Ehefrau des Hausboot-Besitzers. Die gebürtige Russin (†50) lebte mit ihrem Mann Claudio C.* (53) auf der «Good...uria». Das Hausboot hatten sie auch für Rundfahrten vermietet.
Werftbesitzer Angelo Moratti (59) ist erschüttert. Er kannte Claudio C. gut. «Ich kenne ihn von Wohltätigkeitsveranstaltungen. Er lebte von der Vermietung seines Bootes. Jetzt hat er alles verloren: Seine Frau, sein Haus und wohl auch seinen kleinen Hund, an dem er sehr hing. Was ich gehört habe, war auch er mit an Bord.» Jetzt kommt möglicherweise noch ein juristisches Nachspiel hinzu. Die Staatsanwaltschaft in Busto Arsizio (I) hat ein Ermittlungsverfahren eröffnet und prüft, inwiefern die Tragödie hätten verhindert werden können.
* Name bekannt