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Bluttat in Hamburg mit mehreren Toten
Jetzt ist das Motiv des Zeugen-Jehovas-Schützen bekannt

Anfang März kam es in Hamburg zu einem Amoklauf. Philipp F.* (†35) tötete bei einer Zusammenkunft der Zeugen Jehovas sieben Menschen und richtete sich selbst. Wie ein Gutachten jetzt zeigt, soll er einen «Hass auf christliche Religionsgemeinschaften» gehabt haben.
Publiziert: 22.03.2023 um 02:09 Uhr
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Aktualisiert: 22.03.2023 um 09:36 Uhr
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Philipp F. tötete Anfang März in Hamburg sieben Menschen der Zeugen Jehovas.

Vor knapp zwei Wochen erschütterte eine Bluttat Hamburg. Philipp F.* (†35) stürmte eine Zusammenkunft der Zeugen Jehovas und schoss um sich. Sieben Menschen starben bei dem Amoklauf. Nach der Tat richtete sich der Todesschütze selbst.

Wie ein von der Hamburger Polizei in Auftrag gegebenes Gutachten zeigt, konnte nun das Motiv des Täters ermittelt werden.

«Hass auf christliche Religionsgemeinschaften»

Grundlage des vom Extremismusforscher Peter Neumann erstellten Gutachtens bildete das von Philipp F. selbst veröffentlichte Buch mit dem Titel «Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und den Satan». Nachdem Neumann das 300-seitige Pamphlet analysiert hat, kommt er zum Schluss, dass es sich beim Todesschütze um einen «religiösen Fanatiker» handelt. Das berichtet der «Spiegel», dem der Bericht vorliegt.

Laut Neumann ist das plausibelste Tatmotiv «Hass auf christliche Religionsgemeinschaften». Die Untersuchung des Buchs mache deutlich, dass F. Wut auf christliche Religionsgemeinschaften empfunden habe, weil sie Gläubigen seiner Meinung nach «die Wahrheit» vorenthielten.

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Täter lobte in seinem Buch Putin

F. sah sein Buch als «neues Standardwerk neben der Bibel und dem Koran». Laut Medienberichten breitete er darin apokalyptische Ansichten und quasi-religiöse, wirre Thesen aus.

Zudem lehnte er in dem Werk nicht nur Gleichberechtigung und Homosexuelle ab, sondern lobte auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin (70). Die Vergewaltigung ukrainischer Frauen bezeichnet er als «göttliche Strafe».

Auch auf Adolf Hitler (1889-1945) kam F. in seinem Werk zu sprechen. Dieser habe das Werk Jesu Christi ausgeführt. F. zufolge ist die Verfolgung der Juden ein «himmlischer Akt».

Dennoch ist es nach Angaben von Extremismusforscher Neumann nicht klar, ob F. ein Antisemit war. In seinem Buch finden sich gemäss dem Experten keine Statements, die man als «gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit oder biologischen Rassismus» interpretieren könne.

Keine Hinweise auf geplante Attentate oder Gewaltaufrufe

Auch Rückschlüsse auf rechtsextreme Gesinnungen oder frauenfeindliche Motive könne man nicht ziehen, schrieb der in London lehrende Neumann in seinem elfseitigen Gutachten für die Polizei in der Hansestadt.

Hinweise auf geplante Attentate fänden sich in dem rund zweieinhalb Monate vor der Tat veröffentlichten Buch ebenso wenig wie Gewaltaufrufe, sagte Neumann dem «Spiegel». Es sei daher kein «Manifest», wie es Täter in ähnlichen Fällen schon hinterlassen hätten. Ohne Kenntnis der späteren Ereignisse sei es sogar unmöglich, daraus auf einen bevorstehenden Angriff auf Zeugen Jehovas zu schliessen. Die Religionsgemeinschaft komme in dem Buch von F. gar nicht vor.

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Unklar, ob F. psychisch krank war

F. hatte nach Angaben der Ermittlungsbehörden bis vor etwa eineinhalb Jahren selbst zu der Gemeinde gehört, verliess diese aber unter nicht abschliessend geklärten Umständen.

F. war Sportschütze und besass die Tatwaffe legal. Einige Wochen vor der Tat war bei der Waffenbehörde ein anonymer Warnhinweis auf F. eingegangen, der sich vor allem auf das Buch bezog. Die Beamten konnten die Schrift, die im Internet über eine Plattform verkauft wurde, nicht ausfindig machen, weshalb sie nun unter Druck stehen. Sie führten aber eine waffenrechtliche Kontrolle in F.s Wohnung durch, dabei wurden keine grösseren Verstösse festgestellt.

Die Ermittler stufen das Verbrechen vom 9. März als Amoklauf ein, wobei das Motiv nach ihren Angaben bislang nicht abschliessend geklärt ist. Sie halten nach früheren eigenen Angaben ein Verbrechen aus «Hass» gegen die Zeugen Jehovas für möglich, ermitteln aber auch in andere Richtungen. Unklar ist zudem, ob F. psychisch krank gewesen sein könnte. Entsprechende Hinweise gab es in dem anonymen Hinweis, es gab aber keine offizielle ärztliche Diagnose. (AFP/dzc)

* Name bekannt

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