Mehr als eine Million Menschen sind nach offiziellen Angaben am Donnerstag in Frankreich gegen die umstrittene Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron (45) auf die Strasse gegangen. Das Innenministerium spricht von landesweit knapp 1,09 Millionen Demonstrantinnen und Demonstranten. Über 119'000 waren es laut Polizei allein in Paris. Gemäss der Gewerkschaft CGT beteiligten sich landesweit sogar etwa 3,5 Millionen Menschen an den Streiks und Protesten.
Der Zugang zu Universitäten und Gymnasien wurde versperrt, Öldepots wurden blockiert. Dem Sender BFMTV zufolge fehlt inzwischen an 15 Prozent der Tankstellen in Frankreich mindestens ein Kraftstoff. Wieder fielen Züge und Flüge aus. Einige Streiks bei der Müllabfuhr, im Verkehrssektor und bei den Öldepots halten bereits seit Wochen an.
Feuer, Gummischrot, Tränengas
Es kam auch zu Ausschreitungen. In den Strassen wurden Feuer entzündet. Die Polizei ging gewaltsam gegen die Demonstrierenden vor und setzte Gummischrot und Tränengas ein. In Bordeaux steckten Menschen das Rathaus in Brand. Im Internet kursierende Videos zeigen meterhohe Flammen im Eingangsbereich des Gebäudes. Die Feuerwehr konnte den Brand löschen, aber die Eingangstür wurde Berichten zufolge schwer beschädigt.
Zahlreiche Demonstrierende und knapp 440 Einsatzkräfte wurden verletzt. Innenminister Gérald Darmanin (40) zufolge wurden mehr als 450 Menschen festgenommen. Allein in Paris habe es etwa 900 Feuer am Rande der Proteste gegeben. Laut den Gewerkschaften ist der nächste Aktionstag gegen die Rentenreform bereits geplant: Am 28. März soll erneut landesweit demonstriert werden.
Eintrittsalter von 62 auf 64 Jahre anheben
Die Rentenreform gilt als eines der zentralen Vorhaben von Präsident Macron. Die Regierung will das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Ausserdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Damit soll eine drohende Finanzierungslücke der Rentenkasse abgewendet werden. Die Gewerkschaften halten das Projekt für ungerecht und brutal.
Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 Jahren gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag – dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen.
Vor einer Woche verschärfte sich der Streit, weil Macron den Text ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung drückte. Am Montagabend scheiterten zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung. Die Reform ist damit verabschiedet. Sie liegt nun zur Prüfung beim Verfassungsrat. Wann dieser entscheidet, ist noch unklar. Macron will, dass die Reform bis Jahresende in Kraft ist. (SDA/noo/nad)