Der Tag, der New York und die ganze Welt erschütterte
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Rückblick auf 9/11:Der Tag, der New York und die ganze Welt erschütterte

Blick besucht 20 Jahre nach 9/11 New York
In einer traumatisierten Stadt

Zwei Jahrzehnte nach den verheerenden Terroranschlägen haben die New Yorker nichts vergessen. Und der chaotische Abzug aus Afghanistan reisst alte Wunden auf.
Publiziert: 11.09.2021 um 11:20 Uhr
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«Das ist ein heiliger Ort für mich»: Krankenschwester Daniela Lemm an einem der beiden Memorial-Brunnen.
Foto: © Stefan Falke
Fabienne Kinzelmann, New York

Der erste Passagierjet traf das World Trade Center am 11. September 2001 um 8.46 Uhr. «Als die Katastrophenmeldung kam, haben wir so viele Patienten wie möglich verlegt oder abgemeldet», erzählt die gebürtige Bündnerin Daniela Lemm (54), die damals eine Notaufnahme auf Long Island im US-Bundesstaat New York leitete.

Sie rechnete mit Hunderten, wenn nicht Tausenden Schwerverletzten. «Doch niemand kam. Weil die, die in den Türmen waren, tot waren.» Lemm steht am Ground Zero, genau zwischen den Plätzen, wo die Twin Towers in den Himmel ragten. «Das ist ein heiliger Ort für mich. Es tut weh, als Krankenschwester so hilflos zu sein.»

Insgesamt starben fast 3000 Menschen an jenem Tag vor 20 Jahren, als 19 Al-Kaida-Terroristen vier Flugzeuge entführten. Zwei manövrierten sie ins World Trade Center in Manhattan, eins ins Pentagon bei Washington, eins brachten die Passagiere über einem Feld in Pennsylvania zum Absturz. Die Terroranschläge traumatisierten die Amerikaner – und vor allem New York.

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«Ich sah Leute springen»

«Egal, wie lange das her ist. Sich daran zu erinnern, wird nicht einfacher», sagt Michael Nelson (59). Der Banker war mit seinem frisch adoptierten Sohn Jeffrey gerade auf dem Weg zu einer jüdischen Taufzeremonie, als er aus der Metrostation des World Trade Centers evakuiert wurde. «Ich sah Leute springen und dachte trotzdem: Ich darf die drei Rabbis nicht warten lassen.» Von Downtown aus ging er mit dem Baby zu Fuss zum Tauchbad, das Ritual fand statt. Erst hinterher realisierte er, was passiert war. «Es gab ja noch keine Smartphones.»

New York ist just zum 20. Jahrestag von 9/11 leerer als sonst, stiller. Das liegt zwar an Corona und nicht an den Terroranschlägen, doch es passt zum Gedenken an den Tag, der Amerika und die Welt veränderte. Tausende verloren damals Väter und Mütter, Geschwister, Tanten, Onkel, Kinder, Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen.

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Die Bush-Regierung schwor Rache

«Unsere Verantwortung gegenüber der Geschichte ist bereits klar: Wir müssen auf diese Angriffe antworten und die Welt vom Bösen befreien», kündigte der damalige US-Präsident George W. Bush (heute 75) drei Tage nach den verheerenden Terroranschlägen an.

Zwei Tage später gab Bushs Vize Dick Cheney (heute 80) ein eigenes, rachsüchtiges Versprechen ab: «Vieles von dem, was hier getan werden muss, wird im Stillen geschehen müssen, ohne jede Diskussion, unter Verwendung von Quellen und Methoden, die unseren Geheimdiensten zur Verfügung stehen, wenn wir erfolgreich sein wollen.»

Es war der Anfang eines globalen Kriegs gegen den Terror: Nach 9/11 marschierten die USA erst in Afghanistan ein, dann im Irak. In Pakistan flogen sie Drohnenangriffe, in Syrien bekämpften sie den IS. Noch immer führen sie in mehr als 80 Ländern Anti-Terror-Aktivitäten aus.

Eine jüngst erschienene Studie der Brown University beziffert die Kosten dieser Kriege auf acht Billionen US-Dollar. Und mehr als 900'000 Tote: US-Soldaten, alliierte Kämpfer und ihre Gegner, aber auch Journalisten, humanitäre Helfer und – die grösste Opfergruppe – Zivilisten.

Der Afghanistan-Abzug überschattet den 9/11-Jahrestag

Zum 20. Gedenktag von 9/11 wollte US-Präsident Joe Biden (78) endlich Schluss machen mit dem längsten Krieg der USA. Er setzte alles auf den symbolkräftigen Abzug aus Afghanistan.

Doch der endete im Chaos.

Nun begehen die USA den Gedenktag in derselben Woche, in der die Taliban die Schlüsselposten für ihre neue Regierung vergeben haben. Jene Islamisten, die der Terrorgruppe Al Kaida jahrelang Unterschlupf geboten hatten.

«Das ist so traurig», sagt eine Frau, die bedrückt am Ground Zero steht. «Jetzt sind wir in keiner besseren Position als vorher.»

Am heutigen Samstag werden hier die Namen all jener verlesen, die als direkte Folge der Terroranschläge starben. Zwei Tage vorher laufen die letzten Vorbereitungen.

Ein Arbeiter poliert die Namen auf, die auf den Rändern der beiden Memorial-Brunnen eingraviert sind. Ein weiterer sammelt gegen Abend alle Blumen und Gegenstände ein, die über den Tag abgelegt wurden.

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9/11-Feuerwehrmann erzählt:«Manchmal gab es zwei Beerdigungen am Tag»

Woran erinnern sich die New Yorker?

Fragt man die New Yorker, welche Erinnerung sie an 9/11 haben, nennen viele den Geruch, der sich in der Stadt ausbreitete – und monatelang blieb. Sie erzählen von Schutt, von Asche und von Verlust.

Und sie erinnern sich an den strahlend blauen Himmel. «Es war ein herrlicher Tag», sagt Daniela Lemm, die Schweizer Krankenschwester. «Es war unfassbar schön», sagt Michael Nelson, der Banker.

Der Kontrast scheint die Tragödie nur noch mehr hervorzuheben. Für die Gedenkfeier verspricht der Wetterbericht 27 Grad. Und keine Wolken.

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