«Wir kämpfen für die Wahrheit»
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9/11-Angehöriger Eagelson:«Wir kämpfen für die Wahrheit»

9/11-Hinterbliebener fordert geheime Saudi-Dokumente von Biden
«Es fehlt ein Puzzleteil»

Auch 20 Jahre nach dem 11. September 2001 trauern Tausende Angehörige – und fordern die Herausgabe streng geheimer Dokumente. Einer von ihnen ist Brett Eagleson.
Publiziert: 05.09.2021 um 11:04 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2021 um 22:43 Uhr
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Erinnerung an 9/11-Opfer Bruce Eagleson: Sohn Brett (Foto) war 15, als sein Vater starb.
Foto: © Stefan Falke
Fabienne Kinzelmann aus Middletown, USA

Einfamilienhäuser, ein Baseballfeld, viele Rehe. Der Kontrast zwischen Middletown, einer 50'000-Einwohner-Stadt im US-Bundesstaat Connecticut, zum zweieinhalb Autostunden entfernten New York könnte kaum grösser sein.

An der Feuerwache South Fire District wartet Brett Eagleson (35). Hier steht eine rostige Stahlsäule mit verbogenen Nägeln. Es ist ein Stück vom World Trade Center, das Eagleson dem SonntagsBlick-Team zeigen möchte: eine Gedenkstätte zur Erinnerung an die Terroranschläge vom 11. September 2001, als Al-Kaida-Terroristen vier Flugzeuge entführten und 2977 Menschen töteten. Darunter Bretts Vater.

Bruce Eaglesons (†53) Name ist auf einem Stein am Boden eingraviert.

Sohn Brett war 15, als die Türme einstürzten

«Es war hart, als Papa starb», sagt Brett. Er war 15, sass gerade im Matheunterricht, als die Türme einstürzten und er wie auch seine älteren Brüder Tim (damals 19) und Kyle (22) Halbwaisen wurden. «Und es tut immer noch jeden Tag weh.»

Die Terroranschläge haben Löcher in Familien und Gemeinden gerissen, sie haben Kinder zu Waisen gemacht und Eltern zu Kinderlosen, Frauen zu Witwen und Männer zu Witwern. Sie haben Amerika und die Welt verändert.

Und sie beschäftigen Angehörige wie Brett Eagleson noch immer. Er hat sich in die erste Reihe von Tausenden Hinterbliebenen gestellt, die volle Transparenz über die Terroranschläge verlangen.

«Unsere Regierung verweigert uns Informationen. Wir wollen endlich genau wissen, welche Rolle Saudi-Arabien bei den Attacken gespielt hat», sagt er.

Von der Beteiligung des Königshauses überzeugt

Wie Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden (†54) waren 15 der 19 Flugzeugentführer Saudis. Die saudische Regierung verneint jede Verbindung mit den Anschlägen, doch endgültig wurde der Verdacht nie ausgeräumt.

Eagleson und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter sind überzeugt, dass das Königshaus den Terroristen in den USA mit Netzwerken, Geld und Ausbildung geholfen hat. Und dass Beweise dafür von der US-Regierung zurückgehalten werden: etwa Anrufe unter Mitverschwörern der Angriffe, Aufzeichnungen von Zeugeninterviews und ein Foto eines saudischen Diplomaten mit zwei der Flugzeugentführer, kurz nachdem diese in den USA angekommen waren.

Brett sucht das «fehlende Puzzleteil» zum Tod seines Vaters

Brett Eagleson hat sich «Stück für Stück» darüber zusammengesetzt, wie sein Vater starb.

Bruce Eagleson war Manager bei der Unternehmensgruppe Westfield, der das WTC-Einkaufszentrum gehörte. Er arbeitete im 17. Stock des Südturms, überlebte den ersten Anschlag. Doch nachdem er geholfen hatte, seine Kollegen zu evakuieren, ging er zurück – kurz, bevor das zweite Flugzeug in den Südturm krachte. «Er wollte wohl Menschen und den Feuerwehrleuten helfen, weil kaum jemand das Gebäude so gut kannte wie er», vermutet Brett Eagleson. «Er hat sich immer für andere eingesetzt. Hier zu Hause war er Coach des Baseballteams.»

Das Wissen über den Heldenmut seines Vaters macht Brett manchmal wütend, meistens stolz. Genügen tut es ihm nicht. «Es fehlt ein Puzzleteil.» Er meint damit die Saudi-Dokumente.

Warten auf Joe Bidens Anruf

In New York läuft seit 2017 ein Gerichtsverfahren gegen das saudische Königshaus, an dem Eagleson beteiligt ist. Und Anfang August forderte er mit 1600 weiteren Angehörigen den US-Präsidenten in einem Brief auf, die Saudi-Dokumente freizugeben – oder den Gedenkveranstaltungen zum 20. Jahrestag fernzubleiben.

Joe Biden (78) reagierte. In einem schriftlichen Statement drückte er Sympathie für das Anliegen aus – berief sich allerdings auf eine 2009 unter ihm als Vizepräsident verabschiedete Richtlinie, die der Regierung «aus Gründen der nationalen Sicherheit» Grenzen bei der Offenlegung setze. Er begrüsse jedoch, dass das Justizministerium die Herausgabe von Dokumenten nun erneut prüfen werde.

«Aber wir alle warten immer noch auf Bidens Anruf», sagt Brett enttäuscht. Am Donnerstag forderten 3500 Hinterbliebene beim Justizministerium erneut die Herausgabe von Beweisen.

Auch der ehemalige Leiter der 9/11-Untersuchungskommission, Tom Kean (86), hat die Biden-Regierung in der vergangenen Woche aufgefordert, alle streng geheimen Akten freizugeben – insbesondere diejenigen, in denen es um eine mögliche Beteiligung saudischer Regierungsbeamter geht. Allerdings sagt er auch: «Ich habe sie gelesen, es steht nichts drin.»

Der Kampf um Dokumente tröstet ihn

Eagleson will das nicht glauben. «Wenn angeblich nichts drinsteht, warum ist es dann nicht längst öffentlich?»

Bei seinem Arbeitgeber, einer lokalen Bank, hat Eagleson frei genommen. Er will Druck machen. Jetzt, nach zwei Jahrzehnten, scheinen die Chancen für eine Freigabe der Dokumente so gross wie noch nie. Tag und Nacht ist er am Telefon, fährt nach Washington, trifft sich mit Politikern.

Hilft es ihm in seinem Schmerz?

«Es tröstet mich», sagt Eagleson. «Ich habe das Gefühl, etwas zu tun. Für mich und für andere.»

Biden will Saudi-Dokumente freigeben (Update 9. September)

Kurz nach unserem Besuch bei Brett Eagleson kam Bewegung in den Fall. Eine Woche vor dem 9/11-Jahrestag forderte US-Präsident Joe Biden das FBI zur Freigabe der geheimen Saudi-Dokumente auf.

«Angesichts des 20. Jahrestages von 9/11 verdient das amerikanische Volk ein umfassenderes Bild davon, was seine Regierung über diese Angriffe weiss», heisst es in der vergangenen Freitag erlassenen Durchführungsverordnung («Executive Order»). Die vollständigen Aufzeichnungen würden in den kommenden sechs Monaten etappenweise veröffentlicht werden würden, «ausser wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen».

Das saudische Königshaus begrüsste den Schritt. Die saudische Botschaft erklärte laut Reuters am Mittwoch in einer Stellungnahme, dass «jede Behauptung, Saudi-Arabien sei an den Anschlägen vom 11. September beteiligt, kategorisch falsch ist». (kin)

Kurz nach unserem Besuch bei Brett Eagleson kam Bewegung in den Fall. Eine Woche vor dem 9/11-Jahrestag forderte US-Präsident Joe Biden das FBI zur Freigabe der geheimen Saudi-Dokumente auf.

«Angesichts des 20. Jahrestages von 9/11 verdient das amerikanische Volk ein umfassenderes Bild davon, was seine Regierung über diese Angriffe weiss», heisst es in der vergangenen Freitag erlassenen Durchführungsverordnung («Executive Order»). Die vollständigen Aufzeichnungen würden in den kommenden sechs Monaten etappenweise veröffentlicht werden würden, «ausser wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen».

Das saudische Königshaus begrüsste den Schritt. Die saudische Botschaft erklärte laut Reuters am Mittwoch in einer Stellungnahme, dass «jede Behauptung, Saudi-Arabien sei an den Anschlägen vom 11. September beteiligt, kategorisch falsch ist». (kin)


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