Es ist noch keinen Monat her, als US-Justizminister William Barr seinem Boss Donald Trump ein herrliches Golf-Wochenende in Florida bescherte. Barr veröffentlichte an jenem Freitag eine vierseitige Zusammenfassung des Abschlussberichts zur Russland-Affäre und versetzte das konservative Lager in Partystimmung.
Keine Verschwörung mit Russland, keine Justizbehinderung. So verkauften Barr und das Weisse Haus die knapp zweijährigen Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller.
Jetzt wissen wir: Das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Es ist alles viel schlimmer!
Am Donnerstag hat William Barr den Mueller-Report dem Kongress vorgelegt und kurze Zeit später veröffentlicht. Der Bericht ist in zwei Bände gegliedert, umfasst 448 Seiten, und wurde zum Teil geschwärzt. Er rückt die Aussagen des Justizministers in ein schlechtes Licht – sogar der Vorwurf der Korruption steht im Raum.
Die Absprachen von Trumps Team mit den Russen
Der erste Teil des Reports widmet sich der mutmasslichen Verschwörung von Trumps Wahlkampfteam mit Russland. Dass Mueller «keine Beweise» für geheime Absprachen gefunden habe, wie es Barr darstellt, ist schlicht falsch. Denn Mueller spricht von «unzureichenden Beweise» – ein relevanter Unterschied.
«Kannst du dir das ansehen? Ich will nicht reingelegt werden, aber ich will Putin auch nicht ignorieren», zitiert Mueller ein E-Mail, das Kampagnen-Sprecherin Hope Hicks an Trumps Schwiegersohn Jared Kushner schrieb. Hicks erhielt eine E-Mail von der russischen Botschaft mit dem Betreff «Nachricht von Putin».
Im Bericht listet Mueller weitere suspekte Vorfälle auf, berichtet von Treffen zwischen Top-Beratern Trumps und Russen in den Monaten vor und nach der Wahl. Dabei ging es neben Geschäftsabschlüssen auch darum, Schmutz bei Hillary Clinton zu finden. Ebenfalls ans Licht kommt, dass Wahlkampfmanager Paul Manafort mehrfach Umfrageergebnisse mit einer kreml-nahen Person teilte.
Einzig und allein die Feststellung Muellers hat Barr korrekt übermittelt. Trump und seine Wahlkampfhelfer haben bei ihren Kontakten mit den Russen keine Verbrechen begangenen. Bedeutet: Keine Verschwörung.
Im Bericht wird aber auch mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass «Collusion» (übersetzt: Absprachen) keine rechtliche Definition kennt. Somit konnte Mueller auch keine Entscheidung über die Absprachen fällen, sondern nur über den Vorwurf der Verschwörung.
Absprachen hat es aber offensichtlich gegeben, wie der Report nun eindrücklich aufzeigt.
So wollte Trump die Russland-Untersuchung sabotieren
Ebenso explosiv ist der zweite Teil des Berichts, der den Vorwurf der Justizbehinderung durch den Präsidenten behandelt. Hier kristallisiert sich das Fehlverhalten des Justizministers klar heraus.
Fakt ist: Robert Mueller beschuldigt Trump nicht, die Justiz behindert zu haben. Er spricht ihn aber auch nicht vom Vorwurf frei. Das hat Mitte März William Barr in seiner Zusammenfassung des Reports im Alleingang getan – und zwar zu Unrecht.
Wie aus dem Bericht hervorgeht, wollte der Sonderermittler diese Entscheidung dem Kongress überlassen. Das macht auch Sinn, denn der Justizminister wird vom Präsidenten eingesetzt und kann somit kaum einen unabhängigen Schluss ziehen.
Wenn man Muellers Ausführungen folgt, wird deutlich, dass Trump die Russland-Untersuchungen sabotieren wollte.
Der Report bringt ans Tageslicht, dass der Präsident seinen Berater Don McGahn im Juni 2017 anwies, Robert Mueller zu feuern. Doch McGahn widersetzte sich, wie so viele andere Mitarbeiter, den zerstörerischen Impulsen Trumps.
Ein weiteres Beispiel: Trump bat im Sommer 2017 seinen Berater Corey Lewandowski, mit dem damaligen Justizminister Jeff Sessions Kontakt aufzunehmen. Lewandowski sollte dafür sorgen, dass Sessions die Russland-Untersuchungen für beendet erklärt. Aber erneut widersetzte sich der Mitarbeiter und führte Trumps Anweisung nicht aus.
Der Präsident kann sich bei seinen Mitarbeitern bedanken, dass Robert Mueller keinen definitiven Entschluss im Falle der Justizbehinderung fällen konnte. Hätten sie seine Anweisungen durchgesetzt, wäre dies ein klarer Fall der Justizbehinderung gewesen. Und Trump würde sich nun wohl gegen ein Amtsenthebungsverfahren wehren müssen.
Das Zittern von Trump geht weiter
Der Bericht macht auch deutlich, wie sehr Trump vor Mueller gezittert hatte. Als er von seiner Einberufung erfuhr, soll er laut den Notizen des Stabchefs des Generalstaatsanwalts gesagt haben: «Oh mein Gott. Das ist schrecklich. Das ist das Ende meiner Präsidentschaft. Ich bin am Arsch!»
So reagiert man nicht, wenn man nichts zu befürchten hat.
Das Zittern von Trump dürfte auch schon bald weitergehen. Von den explosiven Enthüllungen motiviert haben die Demokraten bereits angekündigt, den Sonderermittler höchstpersönlich vor dem Kongress befragen zu wollen.
Es ist ein cleverer Schachzug. Denn kaum ein Amerikaner wird den Mueller-Report lesen. Bis jetzt dominieren die entlastenden Aussagen von Justizminister Barr die öffentliche Meinung. Wenn sich nun aber Robert Mueller zu seinem Report äussert und die gefärbten Äusserungen Barrs gerade rückt, könnte dies ein Wendepunkt in der Amtszeit von Donald Trump sein. Mueller, ein Republikaner, geniesst in Washington parteiübergreifenden Respekt.
Gewiss: Donald Trump hat laut dem Mueller-Report kein Verbrechen begangen. Aber der Bericht macht deutlich, dass der Präsident ganz viel falsch gemacht hat. Dabei handelt es sich nicht um Lappalien.
Es sind Dinge, die eines US-Präsidenten nicht würdig sind.
Hier können Sie den Mueller-Report in Originalversion lesen.
Seit Donald Trump 2016 zum 45. Präsident der Vereinigten Staaten gewählt wurde, wirbelt er die internationale Politik durcheinander. Bleiben Sie auf dem Laufenden mit allen Bildern, News & Videos aus den USA.
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