Der niederländische Starjournalist Peter de Vries (64) wurde am Dienstag in Amsterdam niedergeschossen und kämpft seither um sein Leben.
Zwei Verdächtige wurden festgenommen, darunter der mutmassliche Schütze. Bisher reden sie nicht, doch Beobachter gehen davon aus, dass Drogenbaron Ridouan Taghi (43) etwas mit dem Mordanschlag zu tun hat. Taghi steht derzeit im sogenannten Margeno-Prozess mit 16 anderen mutmasslichen Schwerverbrechern vor Gericht, und de Vries berichtet darüber. Mehr noch: De Vries ist ein Vertrauter des Kronzeugen Nabil B., der Taghi zu Fall bringen könnte.
Was für andere Journalisten die Story ihres Lebens wäre, ist für den Holländer de Vries eine von vielen. Der berühmteste Kriminalreporter der Niederlande hat schon in unzähligen Fällen eine entscheidende Rolle gespielt, eine Auswahl gibt es hier:
Die Entführung von Alfred «Freddy» Heineken: 1983 wurden der Chef des gleichnamigen Bier-Imperiums sowie sein Chauffeur entführt. Drei Wochen später wurden sie gegen ein Lösegeld von 35 Millionen Gulden – umgerechnet mehr als 18 Millionen Franken – freigelassen. De Vries schrieb mehrfach über den Fall, veröffentlichte auch Bücher darüber. Eines wurde 2015 verfilmt. 1994 gelang es de Vries, einen der Kidnapper, Frans Meijer, in Paraguay zu finden. Zuvor hatte sich dieser erfolgreich der Justiz entzogen. Meijer wurde in der Folge mehrfach verurteilt, zuletzt 2019, als er einen Raubüberfall begehen wollte.
Recherche über korrupte Polizeibeamte: Am 13. September 2006 wurde de Vries verhaftet, mehrere Stunden festgehalten und angeklagt, als er einen Polizeibeamten über dessen fragwürdiges Verhalten im Umgang mit Erbschaften älterer Frauen ausfragte. Ein paar Monate später wurde die Anklage fallen gelassen, «angesichts der beharrlichen Suche nach der Wahrheit und der Ergebnisse der disziplinarischen Untersuchung gegen den betreffenden Polizeibeamten», teilte das Gericht damals mit.
Kennedy-Dokumentation: Im ersten Halbjahr 2006 produzierte de Vries einen Film über das Attentat auf John F. Kennedy (1917–1963). Einer der Interviewten, James Files, sagte, er sei der Schütze gewesen, der Kennedys Leben beendete. Die Ergebnisse von de Vries waren andere, als in den 60er-Jahren die offizielle Untersuchung ergab (gemäss der Lee Harvey Oswald der Kennedy-Killer war). Er kam zum Schluss, dass die CIA und die Mafia in die Ermordung involviert gewesen seien.
Das Verschwinden von Natalee Holloway: Am 30. Mai 2005 verschwand die US-Amerikanerin Natalee Ann Holloway (†18) bei einem Schultrip auf der karibischen Insel Aruba, die zu den Niederlanden gehört. Bis heute wurde sie nicht gefunden. Im Dezember 2007 mussten die Behörden den Fall schliessen, niemand konnte für ein Verbrechen angeklagt werden. Zwei Monate später wurde der Fall wieder aufgenommen. Dabei wurde der Niederländer Joran van der Sloot (33) angeklagt, mit dem Holloway am Tag ihres Verschwindens im Auto unterwegs war, der aber bei Verhören zuvor sagte, sie vor ihrem Hotel abgesetzt zu haben. Nun aber waren Videoaufnahmen aufgetaucht, in denen van der Sloot Marihuana raucht und sagt, Holloway sei am Morgen des 30. Mai gestorben, und ein Freund hätte ihren Körper entsorgt. Die Aufnahmen stammten von einer Person, die verdeckt für de Vries arbeitete und eine Freundschaft zu van der Sloot aufbauen konnte. Schon vor der Wiederaufnahme des Verfahrens konfrontierte de Vries van der Sloot öffentlich, gab seine Beweise der Polizei und kündigte an, eine Sendung über seine Untersuchung zu machen, die am 3. Februar 2008 gezeigt wurde. Nie in der niederländischen TV-Geschichte sahen mehr Zuschauer eine TV-Sendung – abgesehen von Sportveranstaltungen. Van der Sloot stritt ab, im Video die Wahrheit gesagt zu haben und sagte, Holloway als Sexsklavin verkauft zu haben. Später nahm er seine Kommentare zurück. 2012 wurde van der Sloot wegen der Ermordung der Stephany Flores Ramirez (†21) in Peru verurteilt. Natalee Holloway wurde am 12. Januar 2012 für tot erklärt. De Vries erhielt 2008 einen Emmy für seine Untersuchung.
Van der Sloot wird noch einmal überführt: Vor seiner Verurteilung wegen Mordes und nach dem Holloway-Video geriet Joran van der Sloot erneut ins Visier von de Vries. Im November 2008 veröffentlichte der Journalist Videos, die zeigen, wie van der Sloot thailändische Frauen in Bangkok ins niederländische Sexgewerbe verkaufen will. De Vries behauptete, van der Sloot erhalte für jede Frau 13'000 Dollar. Nach den Videos ermittelte die thailändische Regierung gegen van der Sloot.
Derzeit hoffen die ganzen Niederlande, dass De Vries auch in Zukunft noch Verbrecher überführen kann.