Traditionen sind bekanntlich ein grosser und wichtiger Teil des Weihnachtsfestes. Dabei hat jedes Land seine eigenen, teilweise seltsam anmutenden Bräuche. So wird in Island jedes Jahr zur Adventszeit eine fünf Meter hohe, beleuchtete Katzenfigur aufgestellt.
Wer hierbei allerdings an ein süsses, miauendes Kätzchen denkt, ist auf dem Holzweg. Mit Niedlichkeit hat das Tier nämlich so gar nichts am Hut – im Gegenteil.
Geschichte hat ihren Ursprung im 19. Jahrhundert
Jólakötturinn, was auf Isländisch so viel wie «Weihnachtskatze» bedeutet, gehört in Island ebenso zum Weihnachtsfest wie in der Schweiz Zimtsterne und Mailänderli. Der Weihnachtsbrauch zählt aber definitiv zur brutaleren Sorte. Denn auf dem Speiseplan der Katze stehen nicht etwa Mäuse oder Fische, sondern kleine Kinder. Besonders makaber: Das Tier bevorzugt besonders jene Knirpse, die von Armut betroffen sind.
Um den Ursprung der Jólakötturinn ranken sich zahlreiche Mythen. Mehrere Quellen weisen auf den isländischen Poeten Jón Árnson (1819–1888) aus dem 19. Jahrhundert hin, der die Weihnachtskatze in einem seiner Werke als «bösartiges Biest» beschreibt, das entweder Kinder frisst oder ihnen die Reste des Weihnachtsessens stiehlt.
Es ist nicht verwunderlich, dass der Brauch um eine Katze, die die Ärmsten und Schwächsten in einer Gesellschaft angreift, Politiker des linken Spektrums auf die Barrikaden bringt.
Mehrere Interpretationen um Bedeutung der Weihnachtskatze
Besonders für Sanna Magdalena Mörtodóttir, die für die sozialistische Partei Islands im Stadtrat von Reykjavík sitzt, ist die Weihnachtskatze ein rotes Tuch. «Die Katze frisst Kinder, deren Eltern sich keine Kleidung für sie leisten können. In dieser Situation finden sich viele Familien in Reykjavík wieder», schreibt die Politikerin auf Facebook und weist darauf hin, dass die Stadt viel Geld für die aufwendige Dekoration ausgebe, die Probleme der ärmeren Stadtbewohner jedoch ignoriere.
Es gibt aber nicht nur eine Interpretation des Mythos. Für viele steht die Weihnachtskatze auch für Werte wie Fleiss und Arbeit. In manchen Erzählungen frisst die Katze faule Kinder und Erwachsene, die Wolle der Schafe vom Herbst bis zum Winter noch nicht gesponnen und zu neuer Kleidung verarbeitet hatten – und nicht arme Kinder.
Wie das isländische Portal Simnet schreibt, galten zu Zeiten des Poeten Árnson neue Kleider als Belohnung für sauber erledigte Arbeit. So konnte die Märchengestalt Jólakötturinn erkennen, wer besonders fleissig gewesen war. Bei Faulheit wurde man vom Tier verspeist. Es heisst: «Die Weihnachtskatze wurde als Motivation genutzt, um Menschen zu harter Arbeit zu bewegen.» (ced)