Atom-Mastermind des Iran liquidiert – waren es die USA und Israel?
Furcht vor Rache der Mullahs

Schon wieder ist ein iranischer Atomwissenschaftler einem Anschlag zum Opfer gefallen. Der Iran beschuldigt Israel und die USA – und droht mit Vergeltung.
Publiziert: 30.11.2020 um 00:11 Uhr
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Am Freitag wurde das Fahrzeug des iranischen Atomwissenschaftlers Mohsen Fakhrizadeh (†62) angegriffen.
Foto: keystone-sda.ch
Michael Sahli

Das Auto, in dem der iranische Atomwissenschaftler Mohsen Fakhrizadeh (†62) am Freitag einem Anschlag zum Opfer fiel, ist von Kugeln durchsiebt. Trümmer einer Explosion liegen verstreut, Blut klebt auf der Strasse. Kurz nach dem Attentat in einem Vorort von Teheran stirbt der Vater des iranischen Atomprogramms in einem Spital. Iranische Politiker sprechen von einem «Terroranschlag», beschuldigen die beiden Iran-Erzfeinde USA und Israel – und drohen mit «fürchterlicher Rache».

Fakhrizadeh ist nicht der erste getötete iranische Atomwissenschaftler, aber wohl der wichtigste. Er war Experte für die Herstellung von Raketen, gilt als Vater der Atomprogramme «Amad» und «Hope», wo an der Atombombe getüftelt worden sein soll. Der Iran selber hatte solche Bombenambitionen stets bestritten.

«New York Times» vermeldet: Israel plante Attentat

Im Jahr 2018 machte der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu (71) Fakhrizadeh gleich selber weltbekannt. «Merken Sie sich diesen Namen», sagte Netanyahu im Fernsehen über den Iraner.

Wenig überraschend, dass die «New York Times» unter Berufung auf US-Geheimdienstkreise schon kurz nach dem jüngsten Attentat berichtet, Israel sei dafür verantwortlich. Israels Geheimdienstminister Eli Cohen (48) sagte dazu, er wisse nicht, wer der Urheber des Anschlags sei. Meinte aber vielsagend: «Israel hat deutlich gemacht, dass es dem Iran nicht erlauben wird, Atomwaffen zu erlangen.»

Der iranische Präsident Hassan Rohani (72) äusserte sich im Staatsfernsehen: «Erneut sorgten der Imperialismus und sein zionistischer Söldner für ein Blutvergiessen und den Tod eines iranischen Wissenschaftlers.» Der Generalstabschef der iranischen Streitkräfte, Mohammad Bagheri, schlug kriegerische Töne an, drohte mit heftigen Vergeltungsmassnahmen.

Dass aus der Drohung Realität wird, halten Beobachter aber für eher unwahrscheinlich. Auch der iranische Regierungssprecher Ali Rabiei (64) deutete gestern an, dass Teheran keine Eskalation will. «In diese Falle sollten wir definitiv nicht tappen», sagte er.

Warten Mullahs, bis Trump weg ist?

Die Rechnung der Mullahs: Sie setzen darauf, dass der angehende US-Präsident Joe Biden (78) – nach Donald Trumps Jahren des maximalen Drucks – ab Januar wieder auf Dialog setzt. Sollte es in den letzten Wochen von Trumps Amtszeit aber zu weiteren Schlägen gegen den Iran kommen, hätte der Noch-Präsident ein ziemlich undiplomatisches Abschiedsgeschenk für Biden geschnürt: ein Pulverfass im Nahen Osten.

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