Anhänger schäumen vor Wut
Führt die Trump-Razzia in den USA zum Bürgerkrieg?

Eine Razzia und die drohende Anklage gegen Trump empören die Anhänger des abgewählten US-Präsidenten. Eskaliert die Lage in den USA? Experte Marco Steenbergen sagt, was er erwartet und wie sich die Situation beruhigen könnte.
Publiziert: 09.08.2022 um 19:47 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2022 um 20:27 Uhr
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Am Montagabend fuhr bei Trumps Anwesen in Florida die Polizei vor.
Foto: imago/UPI Photo
Guido Felder

Das FBI drängt Ex-US-Präsidenten Donald Trump (76) in die Enge: Am Montag um 18 Uhr Ortszeit haben Untersuchungsbeamte in Trumps Privathaus in Mar-a-Lago, einem luxuriösen Anwesen in Palm Beach, Florida, eine Razzia durchgeführt.

Sein Zuhause werde derzeit «durchsucht und besetzt», schreibt der 2020 abgewählte US-Präsident, der zurzeit in New York weilt, auf seiner eigenen Plattform «Truth Social». Sogar sein Safe sei geöffnet worden, beklagt er sich.

Trump nennt die Aktion eine «politische Verfolgung» und eine Attacke der «radikal linken Demokraten». Sie sei vergleichbar mit der Durchsuchung beim Watergate-Skandal, der 1974 den damaligen US-Präsidenten Richard Nixon (1913–1994) zum Rücktritt zwang.

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Geheime Akten behalten

Warum sie Trumps Anwesen in Florida durchsucht haben, gaben die Behörden nicht bekannt. Laut Medienberichten geht es aber um geheime Akten und Dokumente, die Trump, statt wie vorgeschrieben dem Nationalarchiv zu übergeben, bei sich behalten hat.

Unter den Papieren sollen sich mehrere Briefe von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un (38) sowie ein Schreiben von Trumps Vorgänger Barack Obama (61) befinden. Weiter erhofft man sich wohl auch Unterlagen über den Kapitol-Sturm am 6. Januar 2021 und über Trumps Vorgehen, um die Wahl von Joe Biden (79) zu verhindern.

Eine Razzia gegen einen ehemaligen US-Präsidenten ist einmalig. Trumps Anhänger sind entrüstet und sprechen von «Verschwörung» der Demokraten.

Schreckgespenst Bürgerkrieg

Diese Entrüstung könnte allerdings nur ein Vorgeschmack sein von dem, was noch kommt, wenn Trump vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden sollte. Er prophezeite, dass dann seine Anhänger in Scharen auf die Strasse gehen und Dinge geschehen würden, die das Land so noch nie erlebt habe.

Das Schreckgespenst, das er mit dieser Aussage bei vielen Amerikanern heraufbeschwört, heisst Bürgerkrieg. Wie realistisch ist die Wiederholung dieses Konflikts, der von 1861 bis 1865 zwischen der Union und den abtrünnigen Konföderationsstaaten rund 700'000 Menschenleben forderte?

Bei Meinungsumfragen erklärt ein gutes Drittel der befragten Amerikaner, einen Bürgerkrieg für wahrscheinlich zu halten. Und eine Studie der University of Virginia ergab vor kurzem, dass über die Hälfte der Trump-Wähler und mehr als 40 Prozent der Biden-Wähler eine Aufspaltung des Landes in rote und blaue Staaten für keine schlechte Idee halten.

Die Spaltung ist zu sehen

Denn der Spalt, der die Amerikaner in zwei Lager trennt, wird immer grösser. Marco Steenbergen (59), Amerika-Experte und Politpsychologe an der Universität Zürich: «Das politische Lager der Republikaner kann als ein Lager betrachtet werden, das, von einigen Ausnahmen abgesehen, zunehmend für den Schutz weisser, christlicher und meist männlicher Interessen steht. Aufseiten der Demokraten könnte man sagen, dass kosmopolitische Werte dominieren, obwohl es auch hier Ausnahmen gibt.»

Selbst in der Aussenpolitik, einem Bereich, in dem Demokraten und Republikaner oft einen bemerkenswerten Konsens zeigten, sei eine Spaltung zu beobachten. «Während die Demokraten für die EU und die Nato eintreten und Putins Russland zunehmend kritisch gegenüberstehen, sind in der republikanischen Partei die gegenteiligen Ansichten zu finden.»

Steenbergen bezeichnet Trump sowohl als Symptom als auch als eine Ursache für diese Polarisierung. «Ohne massive Ressentiments wäre er nicht gewählt worden. Allerdings hat er viel zur Verschärfung der Situation beigetragen, indem er die Inhaftierung seiner Gegner forderte, Gewalt legitimierte und bestimmte Gruppen angriff.»

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Polarisierung hat Grenzen

Er rechne weiterhin mit politisch motivierten Gewalttaten, sagt Steenbergen. «Einen regelrechten Bürgerkrieg halte ich aber für unwahrscheinlich.» Er geht davon aus, dass sich die Aggressionen selber ersticken werden. «Ich glaube, dass die Polarisierung ein selbstbegrenztes Potenzial hat. Je extremer die Positionen werden, desto mehr kann eine Gegenreaktion beobachtet werden.»

Es sei wichtig, den Dialog fortzusetzen und gemeinsame Lösungen zu finden. Steenbergen zu Blick: «Das mag auf lokaler Ebene leichter sein als auf Landes- und Bundesebene, wo die Polarisierung einen echten Dialog und eine Politikgestaltung über die Parteigrenzen hinweg verhindert hat.»

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