Für Giovanni B.* (61) aus Odolo bei Brescia (I) ist immer Wintersaison. Wann immer der Stahlunternehmer Zeit findet, setzt er sich in seinen privaten Helikopter und fliegt auf die Gipfel und Gletscher zum Freestylen. «Das machte Giovanni zu allen Jahreszeiten», erinnert sich ein guter Bekannter des Industriellen. «Er ist nicht nur ein passionierter Skifahrer, sondern auch ein leidenschaftlicher Pilot.»
Am Sonntag geht es wieder los. Giovanni B. und sein Mitarbeiter Alberto C.* (†59) schwingen sich in die einmotorige Robinson R44 und peilen das Breithorn vom Aostatal an. Im Gebiet der Cime Bianche landet der Helikopter. Die Freunde machen ihre Ski-Tour. Gegen 16 Uhr wollen sie heimfliegen. Doch dann geht etwas schief. Nebel? Sturm? Ein technischer Defekt?
Möglicherweise versucht Giovanni B., auf 3000 Metern notzulanden. Der Hubschrauber stürzt aber ab. Alberto C. stirbt vor Ort. Giovanni B. überlebt wie durch ein Wunder. Und harrt aus. Niemand ist weit und breit, der Hilfe holen könnte. Der Skibetrieb von Valtournenche ist noch nicht eröffnet und wird auch wegen Corona geschlossen bleiben. Die einzige Hoffnung: das Notfall-Signal, das automatisch vom Helikopter ausgesendet wird.
Italiener holen Air Zermatt zur Hilfe
Das Signal wird im fernen Ferrara (I) aufgegriffen. Sofort wird der Alarm weiter ins Aostatal gesandt. Eine mühsame Suche beginnt, an der auch die Schweizer teilhaben. Kurz vor 20 Uhr geht bei der Air Zermatt der Notruf ein. Sofort starten die Walliser Retter selber mit einem Heli und brechen zum Suchflug am Berg auf (BLICK berichtete).
Trotz Einsatz von Suchscheinwerfern, Nachtsichtgeräten und Infrarot gestaltet sich der Einsatz schwierig. Völlige Dunkelheit, Wind und aufziehender Nebel behindern den Suchtrupp. Zudem liefert das automatisch abgesetzte Notsignal der abgestürzten Maschine nur ungenaue Daten. Von der unterstützenden Flugsicherung kommen immer wieder neue Koordinaten zur vermuteten Unfallstelle.
Überlebender wird ins Spital nach Bern geflogen
Eine Stunde lang versuchen die Helfer, aus der Luft den Weg zum abgestürzten Heli zu finden. Dann brechen die Männer der Rettungsstation Zermatt im Schulterschluss mit den italienischen Kollegen zu Fuss auf. Die haben nur ein Schneemobil dabei. Es ist bereits 23.30 Uhr und stockfinstere Nacht, als sie endlich das Wrack des verunglückten Helis erblicken.
«Völlig unerwartet für alle Beteiligten hatte eine männliche Person den Absturz überlebt und konnte nach rund siebeneinhalb Stunden im Schnee lebend aus dem Wrack geborgen werden», heisst es in einer Mitteilung der Air Zermatt am Montag. Der Gerettete ist schwer verletzt und stark unterkühlt. Dennoch ist Giovanni B. bei Bewusstsein und kann mit den Männern der Bergwacht sprechen. Der Italiener wird sofort ins Spital nach Bern geflogen. Ein Vertreter des Stahlunternehmens verkündet unterdessen, Giovanni B. sei ausser Lebensgefahr.
* Namen geändert