Die einstige Postfaschistin steht innenpolitisch unter grossen Druck. Sie versprach, das Migrationsproblem zu lösen. Seit ihrer Amtsübernahme im September 2022 aber hat sich die Zahl der Flüchtlinge übers Mittelmeer auf über 153'000 verdoppelt. Doch Seeblockaden und Remigration, üblicher Jargon der europäischen Ultrarechten, gehören nicht mehr in zum Wortschatz von Giorgia Meloni (47).
Ihr Wahlversprechen will sie dennoch halten und massenhaft Flüchtlinge loswerden. Aber eben möglichst diplomatisch. Daher setzt die Chefin der Fratelli d'Italia auf Afrika – und auf den Schulterschluss mit der EU, die auch ihr Flüchtlingsproblem lösen will. Melonis Kalkül: Milliardenschwere Förderprogramme sollen die Jungen in ihrer afrikanischen Heimat halten, Wirtschaftsbündnisse sowie politische Partnerschaften umfangreiche Abschiebungen in diese Drittländer schmackhaft machen.
Italien will Brücken schlagen zwischen den Kontinenten
Ihr Vorhaben nennt Meloni den Mattei-Plan, genannt nach einem berühmten Präsidenten des italienischen Energie-Riesen Eni. Sie wirbt mit Pilotprojekten in den Bereichen Energie, Gesundheit, Ernährung und Bildung, wirft 5,5 Milliarden Euro in den Topf. Giorgia Meloni will nicht kleckern. Sie will klotzen.
Zuversichtlich lud Italiens Premierministerin am Montag, 29. Januar 2024, zur «Italien-Afrika-Konferenz» nach Rom. Ein Gipfel auf Augenhöhe, wie Meloni betont. Sie empfing 40 afrikanische Staatschefs und Minister, Repräsentanten der EU, der Uno, der Afrikanischen Union sowie Vertreter aus der Finanz und Wirtschaft – nicht nur als Regierungschefin Italiens. Im Januar übernahm die Römerin den Vorsitz der G7-Gruppe. Die trifft sich zum Gipfel im Juni in Apulien. Dort, so verspricht die G7-Präsidentin, werde Afrika dann auch einen «Ehrenplatz» einnehmen.
Hochkarätige Gäste wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (65), EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (45) und EU-Ratspräsident Charles Michel (48) sollten der Veranstaltung weiteres Gewicht verleihen.
Afrikaner wenig beeindruckt von Melonis grossem Plan
Doch die Haltung der Afrikaner ernüchtert. Melonis Deal wird nicht mit Kusshand genommen, eher misstrauisch beäugt. Man sei im Vorfeld nicht über den Mattei-Plan konsultiert worden, moniert sogleich Moussa Faki Mahamat (63) am Rednerpult. Der Kommissionspräsident der Afrikanischen Union mahnt: «Afrika ist bereit zur Diskussion, doch den Worten müssen Taten folgen.»
Wichtige Länder aus der Sahelzone, ausgerechnet dort, wo die Hauptflüchtlingsrouten liegen, haben abgesagt. So glänzten Mali, Burkina Faso, Niger durch Abwesenheit. Auch Afrikas bevölkerungsreichstes Land Nigeria schickte keinen Vertreter. Auch wenn anwesend, ist Europa für Länder wie Äthiopien, Libyen, Algerien, Ägypten nicht der Nabel der Welt. Für sie gilt wie für viele andere afrikanische Staaten: Mittlerweile geben China, Russland, die Türkei und die Emirate den Ton an.
Durch verpasste Chancen den Anschluss an Afrika verloren
Von vielen verpassten Chancen, schreibt «La Repubblica» und nennt das Beispiel Nigeria. Nach dem Putsch im Nachbarland Niger, hätte Italien Unterstützung anbieten können. Die Nigerianer holen sich Hilfe nun von Moskau, der Türkei und den Emiraten.
China hat den Kontinent für die Seidenstrasse mit Milliardeninvestitionen gepflastert und fordert auch politisch Gehorsam. Russland versorgt Konflikt-Gebiete mit Söldnern, Hubschraubern und schmutzigem Geld. Die Türkei hat in den vergangenen 20 Jahren ihr Handelsvolumen auf 61 Milliarden Euro verzwanzigfacht. Erdogan eröffnete 31 Botschaften in Afrika, Turkish Airlines fliege über 61 afrikanische Städte, schreibt «La Repubblica» weiter. Die Emirate lieferten bereits im Libyen-Konflikt diskret Drohnen an General Chalifa Haftar (80), der mit der Wagner-Gruppe kungelt. Auch im Tschad, in Somaliland, Äthiopien und im Sudan mischten die Araber militärisch mit.
Was diese Afrika-Investoren gemeinsam haben, wird Giorgia Meloni kaum gefallen. Sie teilen keine Sympathie mit Europa und sind nicht wirklich an einer Flüchtlingslösung Italiens interessiert.