Ukrainer veröffentlichen Bilder aus Tschernobyl
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Nach Abzug der Russen:Ukrainer veröffentlichen Bilder aus Tschernobyl

689 Computer, 344 Fahrzeuge, 1500 Strahlungs-Messgeräte
Russen klauten und zerstörten Tschernobyl-Material im Wert von über 135 Mio

Die Russen haben zwar keine Nuklearkatastrophe angerichtet, als sie Tschernobyl einnahmen. Aber sie haben das Atomkraftwerk bis auf das letzte Messgerät geplündert und zerstört, wie die Ukrainer feststellen müssen.
Publiziert: 02.06.2022 um 22:24 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2022 um 12:02 Uhr
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Blick auf einen Teil der Tschernobyl-Anlage. Der Reaktor fiel zu Beginn des Kriegs in die Hände der Russen. Diese zerstörten und stahlen dort Unmengen von Material.
Foto: AFP

Als die Russen das Atomkraftwerk Tschernobyl einnahmen, war die Welt in Schockstarre. Würde Putin tatsächlich den Reaktor zerstören lassen, um erneut radioaktive Strahlung freizulassen? Als dies 1986 beim Reaktor-Unfall geschah, starben direkt und indirekt laut einer Studie Hunderttausende Menschen, Millionen litten unter gesundheitlichen Spätfolgen.

36 Jahre später wiederholte sich die Katastrophe nicht. Die Russen zogen nach einem Monat weiter, der Reaktor blieb unversehrt. Nun sind die Ukrainer daran, eine Schadensanalyse vorzunehmen. Und die hat es in sich.

«Grosser wirtschaftlicher Schaden»

«Ich kann nicht sagen, dass sie der Menschheit Schaden zugefügt haben, aber sicherlich der Ukraine grossen wirtschaftlichen Schaden», sagt Mykola Bespaly (58), Direktor des zentralen analytischen Labors der Anlage, der «Washington Post».

Er zählt auf, was die Russen alles geklaut, zerstört oder zerschossen haben: 689 Computer. 344 Fahrzeuge. 1500 Strahlungs-Messgeräte. Nicht ersetzbare Software. Praktisch sämtliches Brandschutz-Equipment.

Hier wurde das AKW-Sicherheitspersonal gefangen gehalten
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Reportage aus Tschernobyl:Hier wurde das AKW-Sicherheitspersonal gefangen gehalten

Equipment jetzt in Belarus

Vor der russischen Invasion arbeiteten rund 6000 Menschen im Atomkraftwerk. Zwar produziert dieses schon länger keinen Strom mehr, doch wurden unter anderem die Auswirkungen der Katastrophe von 1986 weiter analysiert. Kurz bevor die Russen angriffen, wurden bis auf ein paar Hundert Mitarbeiter alle evakuiert, zitiert die «Washington Post» Manager in Tschernobyl. Diejenigen, die blieben, wurden als Geiseln genommen und hätten Hunderte Stunden unter russischer Aufsicht gearbeitet und sich oft tagelang nicht ausgeruht, um sicherzustellen, dass die Systeme laufen und die Sicherheit der Anlage gewährleistet bleibt.

Nun, da die Ukrainer wieder die Kontrolle übernommen haben, suchen sie unter anderem nach dem gestohlenen Equipment, das teilweise mit GPS-Tracker versehen ist. Einiges sei an der Grenze zu Belarus, anderes in Belarus selber, etwa in Gomel oder Minsk.

Kosten: Rund 135 Mio Dollar

Rund 135 Millionen Dollar werde es kosten, alles zu ersetzen, was durch die Invasion verloren ging, schätzt Yevhen Kramarenko, ein Manager des Kraftwerks, in der «Washington Post».

Warum die Russen Tschernobyl angriffen, wissen die Mitarbeiter vor Ort, mit denen die Zeitung sprach, nicht. Die Software, die geklaut wurde, sei beispielsweise unbrauchbar ausserhalb dieses Kraftwerks. Vielleicht sei die Zerstörung darum eine Warnung gewesen. Oder, werden andere zitiert, die Russen hätten begonnen, die Kreml-Propaganda zu glauben, dass man mithilfe des Westens eine Atomwaffe bauen würde. «Als ich diese Propaganda sah, musste ich lachen», wird ein Mitarbeiter zitiert. «Obwohl die Situation alles andere als lustig ist.»

Die Verantwortlichen hoffen, die Anlage über die nächsten Monate wieder aufzubauen. Dazu sei man auf Hilfe von Spenden und von der Regierung angewiesen. Besonders gehe es darum, Brandschutz-Material zu erhalten. Manager Kramarenko sagt, sonst könnte es im Sommer, falls es Waldbrände gäbe, richtig kritisch werden. (vof)

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