Zwei Anführer einer Schleuserbande müssen für 27 beziehungsweise 20 Jahre ins Gefängnis, wie der Strafgerichtshof Old Bailey in London am Freitag entschied. Der Fahrer des Lastwagens, Mo Robinson, wurde zu 13 Jahren und vier Monaten, ein vierter Mann – Eamonn Harrison – zu 18 Jahren Haft verurteilt. Bei den Anführern handelt es sich um Ronan Hughes (41) und Gheorghe Nica (43).
Die Toten waren am 23. Oktober 2019 in Grays östlich von London in einem Lkw entdeckt worden. Es handelte sich um 31 Männer und 8 Frauen aus Vietnam. Sie hatten jeweils mehr als 14'000 Franken bezahlt, um nach Grossbritannien gebracht zu werden. Experten zufolge stieg die Temperatur in dem versiegelten Container während der Überfahrt von Belgien nach England auf bis zu 40 Grad. Die Migranten hätten keine Überlebenschance gehabt. Als nach Stunden die Türen geöffnet wurden, waren sie bereits tot: 31 Männer und 8 Frauen, darunter auch Teenager.
«Profitable Verschwörung»
«Ich habe keine Zweifel daran (...), dass es sich um eine raffinierte, langjährige und profitable Verschwörung handelte, um hauptsächlich vietnamesische Migranten über den Kanal zu schmuggeln», sagte der Richter Nigel Sweeney. Die Vietnamesen seien einen qualvollen Tod gestorben. Zugleich betonte Sweeney: «Die Bereitschaft der Opfer, illegal ins Land einzureisen, ist keine Entschuldigung für das, was ihnen widerfahren ist.»
Der Ablauf war minutiös geplant. Die Migranten sammelten sich im nordfranzösischen Bierne, schliesslich wurden sie im belgischen Hafen Zeebrugge eingeschifft. Um 15.36 Uhr am 22. Oktober verliess der versiegelte Container an Bord der «MV Clementine» das Festland. Bereits da muss die Lage für die Vietnamesen kaum auszuhalten gewesen sein. Lag die Temperatur eingangs noch bei 21,5 Grad Celsius, stieg sie unaufhörlich weiter, wie Experten in einer Simulation herausfanden haben.
Opfer versuchten, zu telefonieren
«Es gab verzweifelte Versuche, die Aussenwelt telefonisch zu kontaktieren und das Dach des Containers zu durchbrechen», sagte Richter Sweeney. Auf Audio- und Videodateien, die vor Gericht vorgespielt wurden, ist der Todeskampf der Opfer zu erleben. «Es tut mir leid, ich muss Euch verlassen», sagte ein Mann, wie britische Medien berichteten. Ein anderer verabschiedete sich per Sprachnachricht von seiner Familie: «Habt ein schönes Leben.»
Alle Opfer wollten mehr Geld verdienen als in der Heimat, hoffen auf gutes Geld in Grossbritannien, als Maurer, Kellner oder im Nagelstudio. Einige hatten ihr Glück zuvor in Deutschland versucht – aber sie fanden keine Arbeit und zogen weiter. Für die Reise in den Westen nahmen ihre Familien hohe Schulden auf. Nun haben viele Familien ihren Haupternährer verloren und bleiben dennoch auf den Schulden sitzen. Deshalb wurde der Prozess auch in Vietnam genau verfolgt.
Richter Sweeney machte mit seinem Urteil auch deutlich, dass er den Fall für schwerwiegend hält. Er verfügte, dass die Schleuserbande mindestens zwei Drittel ihrer Strafe in Haft verbüssen muss, bevor sie auf Bewährung entlassen werden kann. Normalerweise muss mindestens die Hälfte der Zeit abgesessen werden. (SDA)